„Es geht um die regelhafte Delegation ärztlicher Tätigkeiten“
Karlsruhe – Noch sind sie Exoten: Rund 300 Physician Assistants (PA) arbeiten zurzeit in deutschen Krankenhäusern. Dort unterstützen und entlasten sie die Ärzte, indem sie delegierbare Routineaufgaben übernehmen. Um einheitliche Ausbildungsstandards und ein einheitliches Tätigkeitsprofil für den neuen Beruf zu schaffen, haben sich Bundesärztekammer (BÄK) und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) gemeinsam mit den Hochschulen auf ein Konzeptpapier verständigt. Der Deutsche Ärztetag hat dieses Papier im Mai mit großer Mehrheit befürwortet.

Fünf Fragen an Marcus Hoffmann, Studiendekan im Fachbereich Gesundheit, Duale Hochschule Baden-Württemberg in Karlsruhe
DÄ: Warum braucht man den Beruf des PA?
Marcus Hoffmann: Eine Neuordnung oder neue Aufgabenverteilungen für Berufsgruppen im Gesundheitswesen werden in den vergangenen Jahren verstärkt diskutiert. Der Wandel im Patienten- und Krankheitsspektrum, Veränderungen in den Versorgungsstrukturen und -erfordernissen, Qualifizierungs- und Professionalisierungsinteressen der Beschäftigten, aber auch finanzielle und personelle Engpässe führen dazu, berufliche Qualifikationen zu überdenken und weiterzuentwickeln. Hierzu gehört auch, Aufgabengebiete neu zu definieren oder anders zu verteilen sowie neue Berufe oder Berufsbilder zu schaffen.
Die Delegation ärztlicher Aufgaben an nichtärztliche Gesundheitsberufe wird zum Beispiel vom Sachverständigenrat als wichtiger Schritt für eine neue Aufgabenteilung zwischen den Gesundheitsberufen gesehen. Verstärkt wird die Entwicklung durch den bereits bestehenden und weiter zunehmenden Mangel an Fachkräften, welcher sowohl den ambulanten als auch den stationären Sektor unserer Gesundheitsversorgung betrifft. Hierdurch bedingt wurde in den vergangenen Jahren eine große Zahl von Funktionsbezeichnungen mit uneinheitlich oder in nicht ausreichender Weise geregelter Qualifikation geschaffen, welche zudem teilweise vom ärztlichen Verantwortungsbereich abgekoppelt wurden.
Eine Möglichkeit, den zunehmenden Herausforderungen in verschiedenen Versorgungssettings zu begegnen, besteht in der Delegation ärztlicher Aufgaben an nichtärztliche Gesundheitsberufe. Fachärztlicher Einsatz und ärztliche Weiterbildung in OP und Funktionsbereichen werden oft erst durch eine qualifizierte Fachkraft auf Station möglich bzw. zeitlich flexibel gestaltbar. Dies könnten einheitlich akademisch qualifizierte PA laut Konzeptpapier von BÄK und KBV effizient leisten, da Ärzte sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können und von Routinetätigkeiten entlastet werden.
DÄ: Wie bewerten Sie die Entscheidung des Deutschen Ärztetags über einheitliche Ausbildungsstandards und die Absage an ein grundständiges Studium?
Hoffmann: Ich begrüße außerordentlich die konstruktive Zusammenarbeit in der gemeinsamen Arbeitsgruppe von BÄK und KBV sowie das hervorragende Resultat der umfangreichen Abstimmungen in Form des soeben verabschiedeten Konzeptpapiers. In diesem werden Tätigkeitsrahmen, verbindliche Studieninhalte, Kompetenzkatalog und verbindliche Qualitätskriterien für die Einführung von Studiengängen ausführlich detailliert dargestellt und begründet.
Die Entscheidung für eine patientennahe (Weiter-)Qualifizierung im Sinne des Delegationsmodells „Physician Assistant“ für bereits in einem Gesundheitsfachberuf ausgebildete Studierende basiert auf unseren eigenen positiven Erfahrungen, einer unabhängigen wissenschaftlichen Evaluation und den Wünschen und Rückmeldungen aus der Praxis.
Ich engagiere mich seit Jahren für einheitliche Ausbildungsstandards, da diese für die Etablierung eines neuen Berufsbildes und konstant hohe Qualität unabdingbar sind. Wenn Curricula, Kompetenzen und Qualitätsstandards für PA dem gemeinsam abgestimmten Konzept folgen, welche ja nun mit dem vorliegenden Papier festgelegt sind, kann ein im Ärztlichen Team auf Delegationsbasis vielseitig einsetzbarer PA die Qualität der Versorgung erhöhen.
DÄ: Wie entwickelt sich bundesweit die Zahl der Absolventen und wie entwickeln sich deren Berufschancen?
Hoffmann: Vor nunmehr sechs Jahren durfte ich den ersten PA-Studiengang Deutschlands an einer staatlichen Hochschule etablieren. Die Zahl der Studierenden, der Absolventen und neuer Studienangebote an inzwischen bundesweit acht Hochschulen hat seitdem kontinuierlich zugenommen. Weitere Studienangebote befinden sich im Akkreditierungsverfahren.
Noch allerdings unterscheiden sich die Studiengänge in einigen Aspekten, etwa in den Zugangsvoraussetzungen, den theoretischen und praktischen Inhalten beziehungsweise den zugrunde liegenden Curricula voneinander. Die nun verabschiedeten einheitliche Ausbildungsstandards schaffen die Voraussetzung für die langfristige Etablierung des neuen Berufsbildes.
Die Zahl der offenen Stellen für PA übersteigt die Anzahl der Absolventen bei weitem. Der Bedarf in der Praxis steigt parallel mit dem Bekanntheitsgrad des Berufs in Fachkreisen und mit den hervorragenden Erfahrungen der Absolventen in der direkten Patientenversorgung mit sowie ihrer Akzeptanz im interprofessionellen Team.
DÄ: Wer entscheidet sich für eine Tätigkeit als PA?
Hoffmann: Unsere Untersuchungen haben ergeben, dass eine entscheidende Motivation für die Aufnahme des Studiums der Wunsch nach einer hochqualifizierten, patientennahen Tätigkeit ist. Die Studierenden haben bereits eine Ausbildung in einem Gesundheitsfachberuf absolviert und suchen eine Möglichkeit, ihre Kompetenzen in einer anerkannten Form praxisnah weiterzuentwickeln.
Es gibt hier interessanterweise zwei Gruppen: Diejenigen, die nach der Ausbildung noch am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn stehen und im Studium und der anschließenden Tätigkeit eine langfristige Perspektive sehen, eine patientennahe Tätigkeit auszuüben und diejenigen, welche nach einer beruflichen Pause einen Wiedereinstig auf einem höheren Qualifikations- und Tätigkeitsniveau in der direkten Patientenversorgung wünschen.
In jedem Fall konnten wir in einer unabhängigen Evaluation unserer Absolventen eine außerordentlich hohe Berufszufriedenheit sowie eine breite Akzeptanz in der Praxis feststellen.
DÄ: Was charakterisiert den Beruf des PA?
Hoffmann: Es handelt sich beim PA um ein in Deutschland relativ neues Berufsbild, welches aus dem Bedarf und unter breiter Mitwirkung der Praxis für patientennahe Tätigkeiten entwickelt wurde. Bei dieser Form der Arztassistenz geht es um die regelhafte Delegation ärztlicher Tätigkeiten an eigens akademisch qualifizierte nichtärztliche Fachkräfte mit vorheriger Ausbildung in einem anderen Gesundheitsfachberuf.
Die Absolventen sollen so in die Lage versetzt werden, ausgewählte ärztliche Aufgaben auf Delegationsbasis, also auf Anordnung und unter Aufsicht von Fachärzten, vollumfänglich wahrnehmen zu können. Die Versorgungsqualität und Versorgungseffizienz kann durch den Einsatz von PA gesteigert sowie möglichen Versorgungsdefiziten entgegengewirkt werden.
Der PA ist als medizinischer Assistenzberuf seit vielen Jahrzehnten in den USA und weiteren Ländern, wie zum Beispiel Kanada, Großbritannien und den Niederlanden, etabliert. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchung unserer ersten Absolventenjahrgänge sind publiziert und bestärken uns, das Berufsbild des PA in der von der BÄK und KBV definierten Form weiter zu etablieren. In jedem Fall sinnvoll wäre es, im Sinne einer Versorgungsforschung das Delegationsmodell „Physician Assistant“ weiter zu begleiten.
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