Ausland

EU einigt sich auf Medizinpro­dukte-Verordnung

  • Donnerstag, 26. Mai 2016
Uploaded: 22.01.2014 15:49:12 by mis
EU-Parlament, Rat und Kommission haben sich auf eine Novelle der Verordnung für Medizinprodukte verständigt. /dpa

Brüssel/Berlin – Skandale wie minderwertige Brustimplantate oder zu schnell brechende Hüftgelenke sollen durch eine neue EU-Verordnung für Medizinprodukte in Zukunft ver­mieden werden. Darauf haben sich Vertreter des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission am Mittwochabend verständigt.

„Medizinprodukte werden sicherer, EU-Institutionen habe sich gerade auf Kompromiss geeinigt. Das ist richtige Konsequenz aus den Skandalen“, twitterte Peter Liese, gesund­heits­politischer Sprecher der konservativen EVP-Fraktion im Europäischen Parlament am Mittwochabend. Er sei sehr froh, dass es gelungen sei, sich auf einen Kompromiss zur besseren Regulierung von Medizinprodukten und medizinischen Diagnostika (IVD) geeinigt zu haben, schreibt er auf seiner Facebook-Seite.

Die Einigung sieht Liese zufolge im Wesentlichen vor, dass künftig unangekündigte Kontrollen bei den Herstellern nach dem Inverkehrbringen der Produkte stattfinden können. Darüber hinaus sollen die Benannten Stellen stärker als bisher kontrolliert werden, auch müssen diese medizinisches Fachpersonal einstellen. Für Hochrisikopro­dukte wie etwa Implantate oder HIV-Tests wird ein zusätzliches Sicherheitsverfahren eingeführt. Nicht nur die Benannten Stellen, sondern auch ein Expertenkomitee sollen die Übereinstimmung mit den Regeln überprüfen.

Vorgesehen ist zudem, einen Implan­tatepass für Patienten einzuführen. Dadurch sollen Betroffene und Ärzte nachverfolgen können, welches Produkt implantiert wurde. Darüber hinaus müssen künftig auch Medizinprodukte einen klinischen Nachweis erbringen, vor allem bei höheren Risiko­klassen müssen die Hersteller Studien durchführen. Vorgesehen ist zudem, dass Hersteller angemessene Rücklagen für den Fall von Haftungsansprüchen durch fehlerhafte Produkte bilden.

Informationspflicht bei DNA-Tests
Bei DNA-Tests werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, Patienten über die Konsequenzen des Tests zu informieren. Der Punkt war lange umstritten und der entsprechende Vorschlag des Europäischen Parlamentes wurde abgeschwächt, aber es bleibt bei einer entsprechenden Verpflichtung der Mitgliedstaaten. „DNA-Tests können gravierende Konsequenzen für das Leben der Patienten haben und man sollte sie nicht ohne ordentliche Information und Beratung durchführen“, so Liese. Die Mitgliedstaaten hätten darauf hingewiesen, dass sie in erster Linie selbst verantwortlich seien und europäische Regeln nur zum Teil akzeptierten. „Wichtig ist, dass sie ihrer Verpflichtung auch nach­kommen. Wir werden in dieser Frage sehr wachsam sein", so der Europaabgeordnete.

Nicht übernommen wurde eine Forderung von Teilen des Europäischen Parlamentes, anstatt des Systems auf der Basis von Benannten Stellen in Zukunft bei Medizin­produk­ten eine staatliche Zulassung und in bestimmten Bereichen sogar eine Zulassung durch die europäische Arzneimittelagentur (EMA) einzuführen. Auch wurden in den Verhand­lungen bestimmte bürokratische Belastungen für die Industrie aus den Texten herausver­handelt. „Papierkram schützt die Patienten nicht. Entscheidend sind die tatsächlichen Kontrollen vor Ort. Wir wollen keine Überregulierung, weil Europa und insbesondere Deutschland im Bereich der Medizinprodukte und medizinischen Diagnostika sehr innovativ sind. Ich bin froh, dass wir am Ende einen ausgewogenen Kompromiss gefunden haben", so Liese abschließend.

Die Gesundheitsminister der EU-Mitgliedsstaaten wollen die Einigung zur EU-Verordnung in ihrer Ratssitzung am 16. Juni 2016 bestätigen. Die Zustimmung von EU-Parlament und Rat wären dann Formsache. Die Verordnung könnte im zweiten Halbjahr 2016 veröffent­licht werden und in Kraft treten. Sie muss nicht mehr in nationales Recht umgesetzt werden, kann aber in Teilen von den einzelnen EU-Mitgliedsländern ergänzt werden. Die neuen Regelungen sollen nach einer Übergangsphase von drei Jahren gelten.

AOK fordert national strengere Regeln
Der AOK Bundesverband zeigt sich enttäuscht. Ihm gehen die Regelungen nicht weit genu. Viele wichtige Vorschläge hätten auf EU-Ebene leider keine Mehrheiten gefunden, bemängelt Martin Litsch, Vorstandsvor­sitzender des AOK-Bundesverbandes. Er fordert die Bundesregierung auf, nachzu­jus­tieren.

Notwendig sei eine verpflichtende Haftpflichtversicherung der Hersteller, mit denen Patienten im Schadensfall finanziell abgesichert seien. Auch müssten den Kassen konkrete Produktinformationen patientenbezogen unabhängig von der Einführung der Identifikationsnummern standardmäßig übermittelt werden. „Nur so können wir unsere Versicherten unterstützen und das Wirtschaftlichkeitsgebot der Krankenversicherung umsetzen“, so Litsch.

Er wiederholt seine Kritik daran, dass es keine unabhängige zentrale Zulassungsstelle geben wird. Litsch spricht sich zudem für eine generelle Nutzenbewertung für Medizin­produkte aus, die die Erstattungsfähigkeit durch die gesetzliche Krankenversicherung regelt. „Was für Arzneimittel gilt, muss auch für Hochrisikomedizinprodukte gelten“, sagte er.

may

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