EU-Kommission gründet Allianz für kritische Arzneimittel

Berlin – Eine Allianz für kritische Arzneimittel soll auf europäischer Ebene helfen, Lieferengpässe bei wichtigen Medikamenten zu bekämpfen. Am Rande einer informellen Tagung des Europäischen Rates hat die Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (HERA) der Europäischen Kommission die Initiative gegründet.
Die Allianz sei eine weitere Maßnahme zum Aufbau einer starken Europäischen Gesundheitsunion, erklärte die EU-Kommission in Brüssel. In ihr versammeln sich die nationalen Behörden, die Industrie, Organisationen des Gesundheitswesens, Vertreter der Zivilgesellschaft, die Kommission und EU-Agenturen an einem Tisch, um über Maßnahmen zur Bewältigung und Vermeidung von Engpässen bei kritischen Arzneimitteln zu beraten.
Zu ihrem Start zählt der Zusammenschluss etwa 250 registrierte Mitglieder, darunter Ministerien oder Regierungsstellen, die die Mitgliedsstaaten vertreten, Unternehmen oder Organisationen als Vertreter der Industrie sowie Nichtregierungsorganisationen.
Neben einem industriepolitischen Schwerpunkt soll die Allianz auch die Reform des EU-Arzneimittelrechts ergänzen, die derzeit Form annimmt. Die Kommission komme damit der Forderung von mehr als 23 Mitgliedstaaten nach mehr strategischer Autonomie in diesem Sektor nach, hieß es.
Eine zentrale strategische Maßnahme sei ein inklusiver und transparenter Mechanismus zur Konsultation der wichtigsten Interessenträger, die dabei auf eine Verbesserung der Versorgungssicherheit hinarbeiten, die Verfügbarkeit von Arzneimitteln erhöhen und die Abhängigkeiten der EU in Bezug auf Lieferketten abbauen wollen.
Das werde letztlich die pharmazeutische Industrie in Europa widerstandsfähiger und nachhaltiger und die Arzneimittelversorgung der Bürgerinnen und Bürger sicherer machen, betont die Kommission.
„Wir erweitern unsere Europäische Gesundheitsunion um eine industrielle Dimension, deren Schwerpunkt darauf liegen wird, wie wir Schwachstellen in der Lieferkette beheben“, erklärte dazu EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides.
So soll die Allianz strategische Empfehlungen zur Bewältigung und Vermeidung von Engpässen ausarbeiten. Derzeit würden dazu verschiedene Faktoren analysiert, zu denen unter anderem die übermäßige Abhängigkeit von einer kleinen Zahl externer Lieferanten, die begrenzten Optionen für eine Diversifizierung und knappe Produktionskapazitäten gehören.
Ausgangspunkt dafür sei die Schwachstellenanalyse der Kommission zu Engpässen in der Lieferkette kritischer Arzneimittel, die in der einschlägigen Unionsliste aufgeführt sind. Aus den Empfehlungen soll ein mehrjähriger „Strategieplan“ mit Etappenzielen und damit verbundenen Umsetzungsfristen entstehen.
Zudem sollen die Diskussionen, die im Rahmen der Allianz stattfinden, der Kommission dabei helfen, innovative Projekte für Investitionen in Forschungspipelines zu ermitteln. Diesen könnte dann sowohl eine EU-Förderung als auch eine nationale Finanzierung zur Stärkung des Produktionsstandorts EU zugutekommen.
Auch Marktanreize sollen ein Thema sein. So solle etwa die Möglichkeit erörtert werden, die vertragliche Reservierung von Kapazitäten und die gemeinsame Beschaffung breiter einzusetzen. Dies könne ebenfalls dazu dienen, die Versorgungssicherheit bei kritischen Arzneimitteln zu erhöhen.
Dabei wolle man Lieferketten in einem ganzheitlichen Licht betrachten. Angesichts von deren Globalisierung und des starken Interesses, das beispielsweise mehrere Partner auf dem Westbalkan sowie EU-Nachbarschaftsländer an einer Beteiligung an der Allianz bekundet hätten, könnten neue Partnerschaften eine Diversifizierung von Lieferketten kritischer Arzneimittel bewirken.
„In der Allianz werden Ressourcen und Fachwissen von Regierungen, Industrie, Angehörigen der Gesundheitsberufe und der Zivilgesellschaft gebündelt, mit denen wir ein gemeinsames Ziel verfolgen, nämlich einen besseren Schutz unserer Patientinnen und Patienten und einen gleichberechtigten Zugang zu den von ihnen benötigten Arzneimitteln zu gewährleisten“, erklärte Kyriakides. „Dies ist unsere Europäische Gesundheitsunion in Aktion.“
Die Allianz solle vorerst für fünf Jahre bestehen. Noch vor Ende des laufenden Jahres sollen die ersten Empfehlungen für Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung mit kritischen Arzneimitteln veröffentlicht werden. In allen Phasen ihrer Arbeit soll die Allianz für die Aufnahme neuer Mitgliedern offenstehen.
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