Ausland

Experten kritisieren Bulgariens Psychiatrien

  • Donnerstag, 4. November 2021

Straßburg – Experten des Europarats haben schockierende Missstände bei der Behandlung psychisch Kranker in Bulgarien angeprangert. Die Vorwürfe umfassen körperliche Züchtigungen, unhaltbare hygie­nische Zustände und Freiheitsentzug, wie aus einem Bericht des Anti-Folterkomitees des Europarats hervorgeht, der heute veröffentlicht wurde.

So sei es üblich, dass Patienten in Psychiatrien oder anderen Einrichtung getreten, geohrfeigt und mit Stöcken geschlagen würden. Stöcke seien offenbar eine Art Standardwerkzeug für die Mitarbeiter dort und würden immer wieder in deren Büros gefunden, heißt es in dem Bericht.

Menschen in Psychiatrien hausten zudem nicht selten in „dreckigen Schlafräumen, dreckigen Betten, umgeben von einem durchdringenden, widerlichen Gestank nach Urin und übersät von Fliegen, die auf ihnen herumkrabbeln“, teilte das Komitee mit und nannte die Zustände unmenschlich und erniedrigend.

Illegalerweise würden Bewohner der Einrichtungen außerdem weiterhin fixiert und isoliert. Zwar seien beim jüngsten Besuch der Experten keine Metallketten mehr gefunden worden – im Gegensatz zu früheren Jahren.

Aber es gebe weiterhin übereinstimmende Berichte der Patienten darüber, dass sie tagelang an ihre Betten gefesselt würden und gezwungen seien, in Inkontinenz-Unterlagen zu urinieren und zu defäkie­ren. Auch berichten laut dem Komitee Bewohner davon, dass ihre Hände oberhalb ihres Kopfes fixiert worden seien. Das führe zu Schmerzen, Schwellungen und Gefühlsverlust.

Das Expertenkomitee des Europarats war nach eigenen Angaben seit 1995 14 Mal in Bulgarien und be­mängelte immer wieder die Zustände in den Psychiatrien und ähnlichen Einrichtungen. Dennoch gebe es wenig oder keinen Fortschritt.

Die bulgarischen Behörden müssten nun einen „radikalen Wandel“ anstoßen, nicht nur innerhalb der Ein­richtungen: Psychisch Kranke dürften nicht weiter stigmatisiert und an abgeschiedenen Orten versteckt werden.

Der Europarat mit Sitz im französischen Straßburg ist gemeinsam mit seinem Gerichtshof für die Wah­rung der Menschenrechte in den 47 Mitgliedstaaten, darunter auch Russland und die Türkei, zuständig. Er ist kein Organ der Europäischen Union.

dpa

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