Experten mahnen E-Health-Strategie an

Berlin – Die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist zu einem wichtigen Thema auf der politischen Agenda der großen Koalition geworden. Daran lässt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) keine Zweifel aufkommen, so zuletzt beim Besuch der Medizinmesse DMEA am Dienstag in dieser Woche. Dennoch gibt es auch kritische Stimmen im Hinblick auf die zahlreichen E-Health-Aktivitäten seines Ministeriums.
„Im vergangenen Jahr ist mehr passiert als in den 14 Jahren zuvor“, meinte etwa Peter Haas, Professor für Medizinische Informatik an der Fachhochschule Dortmund bei einer Panel-Diskussion der Medizinmesse, auf der Vertreter von Ärzteschaft, Industrie, Wissenschaft und Politik ein Zwischenfazit zogen. „Was fehlt, ist jedoch eine Gesamtstrategie.“ Schnelle Entscheidungen bedeuteten eben keine schnelle Umsetzung. Es sei zwar viel passiert, doch einige Dinge hätten seiner Ansicht nach anders justiert werden müssen.
Haas plädierte unter anderem für Fokusgruppen mit Patienten und mit Ärzten, damit Nutzen und Nutzbarkeit etwa einer elektronischen Patientenakte (ePA) für die Betroffenen herausgearbeitet werden könnten.
Unterstützung erhielt er von Erik Bodendieck, dem Präsidenten der Sächsischen Landesärztekammer. Die ePA sei konzipiert aus der Sicht von jungen Gesunden, nicht aus der Perspektive von kranken Menschen, die sie gerade besonders benötigten. Bodendieck gab zu bedenken, dass alle Beteiligten ins Boot geholt werden müssten. „Fristen und Regelungen werden nicht ausreichen“, mahnte er an.
Uwe Eibich, Vorstand der CompuGroup Medical AG, setzte sich dafür ein, dass die Patienten ihre ePA frei wählen können sollten. Zudem sei es wichtig, dass weitere medizinische Anwendungen, wie der Notfalldatensatz, der elektronische Medikationsplan oder das elektronische Rezept, schnell in die Fläche gelangten. Derzeit sei hier viel Überzeugungsarbeit bei den Ärzten zu leisten. „Neben der Technik muss vor allem auch in die Kommunikation investiert werden, zum Beispiel um Ärzte vom Nutzen dieser Neuerungen zu überzeugen“, sagte er. Darüber hinaus kritisierte er die derzeitige „Gesetzgebung aus fragmentierten Einzelteilen“. Ein Zielbild, das aus Sicht der Industrie für die Planung sehr wichtig wäre, fehle.
Auch die Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Gesundheitspolitik und Mitglied des Gesundheitsausschusses von Bündnis 90/Die Grünen, Maria Klein-Schmeink, äußerte sich ähnlich: „Die Aktion ist da, aber es ist unklar, wohin sie zielt. Was hilft die ePA, wenn die Aufklärung der Patienten zu ihrem Nutzen fehlt?“, gab sie zu bedenken. Bisher seien die Maßnahmen fragmentarisch und sehr arztlastig. Der Wille, auch die Bevölkerung mitzunehmen, sei nicht erkennbar. Andere Leistungserbringer, wie etwa Physiotherapeuten oder Pflegekräfte, würden nicht berücksichtigt. „Gerade für längere, komplexere Behandlungen wäre das aber wichtig. Erst dann macht das Sinn“, meinte sie. „Es besteht eine große Lücke zwischen dem, was ist, und dem was wir noch brauchen“, so ihr Fazit.
Der Abgeordnete Tino Sorge aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion verteidigte die bisherigen politischen Maßnahmen und die gesetzgeberische Dynamik. Die Gesetzgebung sei ein iterativer Prozess. „Wir können nicht abwarten, bis ein großes Gesetz fertig ist“, betonte er wie schon Bundesgesundheitsminister Spahn am Vortag. Aufgabe der Politik sei es vor allem, im Prozess Standards zu entwickeln, Schnittstellen zu definieren und Evidenz zu generieren. „Wir müssen das System so offen halten, dass Innovationen wie künstliche Intelligenz möglich sind“, sagte er. Zugleich regt er eine gesellschaftliche Debatte dazu an, ob beispielsweise eine elektronische Krankschreibung ohne Arztbesuch gewollt ist. Auch das Thema Datensicherheit sei wichtig, „damit wir die Digitalisierung in der Medizin letztlich nicht erleiden, sondern gestalten“.
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