Spahn will E-Health-Gesetz durch stetige Reformschritte ergänzen

Berlin – Eine positive Bilanz der ersten zwölf Monate seiner Amtszeit hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bei der Eröffnung der Medizinmesse DMEA gestern in Berlin gezogen. Dazu zählte er auch die Fortschritte beim „großen Thema der Digitalisierung im Gesundheitswesen“, die seither durch verschiedene gesetzgeberische Initiativen erzielt worden sind.
Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) habe dabei in den vergangenen zwölf Monaten einen Strategiewechsel vollzogen, auch wenn es im laufenden Jahr weiterhin ein E-Health-Gesetz geben soll. Von der ursprünglichen Idee, „ein schönes großes Digitalisierungsgesetz“ zu machen, sei man aber abgerückt, weil dies dem erforderlichen Tempo nicht gerecht werde, so der Minister. „Vielmehr machen wir immer dann, wenn wir im Ministerium und in der Politik das berechtigte Gefühl haben, jetzt ist etwas entscheidungs- und umsetzungsreif, dies zum Bestandteil laufender Gesetzgebung“, erläuterte Spahn.
Beispiele dafür sind ihm zufolge die telemedizinische Beratung in den Pflegeeinrichtungen durch Ärzte, die im Pflegepersonalstärkungsgesetz geregelt worden ist, die Regelungen zur elektronischen Patientenakte (ePA) im Terminservice- und Versorgungsgesetz und das E-Rezept im geplanten Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung.
Spahn verwies auf die umfangreichen Investitionen US-amerikanischer und chinesischer Großkonzerne im Bereich Gesundheit, die zudem Ansätzen im Umgang mit Daten verfolgten, die aus hiesiger und europäischer Sicht nicht per se nachahmenswert seien. Es sei zu zeigen, „dass wir in der Lage sind, mit unseren Vorstellungen von Datenschutz, Datensicherheit, von Versorgungsstrukturen, aber vor allem auch mit denen, die hier Versorgung machen, ein eigenes Angebot und eigene Strukturen zu entwickeln.“
Zeit aufholen
Es gelte, die verlorene Zeit aufzuholen. Bei dieser Aufholjagd komme es im Zweifel bei der Umsetzung auch auf wenige Monate an. „Damit das klappt, müssen wir da Lust drauf haben“, hob Spahn hervor. „Wer will, dass Wertschöpfung auch in der digitalen Welt im Gesundheitswesen in Deutschland und Europa möglich ist, der muss Lust darauf haben, das zu gestalten. Denn wenn wir wollen, leiten sich die anderen Dinge daraus ab.“
Spahn unterstrich in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit der ePA. Die Übernahme der Mehrheitsanteile an der gematik – Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte zum 1. Mai durch das BMG verteidigte Spahn in diesem Kontext.
Möglicherweise sei das eine Staatsintervention. Aber wenn 15 Jahre lang die Selbstverwaltung etwas nicht ans Laufen gekriegt habe, „dann darf der Minister auch mal versuchen“, meinte Spahn. Das hielten zwar manche auch im Ministerium für ein Risiko. „Das Problem ist, wenn etwas schief geht, sind wir immer schuld. Und wenn wir eh schon Schuld sind, dann will ich wenigstens berechtigt schuld sein.“
Ideenwettbewerb
Aus Sicht des BMG geht es dabei darum, dass die Spezifizierungen schnell weiterentwickelt und Fragen der Schnittstellen und Standards und der Datensicherheit geklärt werden. „Wir setzen einen Rahmen, und dann sollen im Wettbewerb die Anbieter – ob kleine Startups oder große Softwareschmieden, wer eben die beste Idee, das beste Angebot hat – zeigen, was sie können.“
Die Krankenkassen sind zudem aufgefordert, über die Kernfunktionen der ePA hinaus den Versicherten zusätzliche digitale Angebote zu unterbreiten – wie etwa Präventionsprogramme oder chronische Erkrankungs-Begleitprogramme. Diese Möglichkeit sei ausdrücklich in der ePA angelegt. „Ich möchte ein Feuerwerk an Kreativität und Ideen erleben rund um die Frage, was bei der ePA an Zusatzfunktionen möglich sind“, so Spahn.
Den Kassen sei bei der ePA eine starke Rolle übertragen worden, weil es zum jetzigen Zeitpunkt Akteure brauche, die auch über die Personalkraft und die Ressourcen haben, das Projekt zügig voranzutreiben, meinte Spahn. Damit sei außerdem auch geregelt, gegen wen der Versicherte einen Anspruch auf die ePA habe und wo er die Akte herbekomme.
Die Frage der Datennutzung
Mit dem geplanten Digitalisierungsgesetz soll in diesem Jahr auch die Frage der Datennutzung in den Blick genommen werden, kündigte Spahn an. Als Vorbild nannte er das in der letzten Woche im Kabinett beschlossene Implantateregister, das es erlaube, pseudonymisierte Erkenntnisse zu gewinnen und Daten nutzen zu können. „Google weiß derzeit mehr über die meisten Patienten in Deutschland als die eigene Krankenkasse wissen darf“, kritisierte der Minister.
Hier sei ein kluger Rahmen zu setzen, der die Datensouveränität sicherstelle, aber es gleichzeitig ermögliche, für Versorgungsforschung die vorhandenen Datenschätze zu heben oder die Frage von Datenspenden zu regeln. Schließlich steht für das BMG in diesem Jahr auch die Frage von angemessenen Zugangs- und Vergütungswegen für medizinische Apps in die Versorgung auf dem Programm.
Zum Hintergrund: Die DMEA, vormals ConhIT, ist Deutschlands größte Veranstaltung zur Gesundheits-IT, veranstaltet vom Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg), in Kooperation mit den Branchenverbänden GMDS (Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie), BVMI (Berufsverband Medizinsicher Informatiker) sowie dem Bundesverband der Krankenhaus-IT-Leiterinnen/Leiter und den Chief Information Officers der Universitätsklinika.
Die Messe hat sich vom „Branchentreff und Nischenthema zu einer Informations- und Kommunikationsplattform für alle, die sich mit Digitalisierung im Gesundheitswesen beschäftigen wollen, entwickelt“, so Jens Naumann, Vorsitzender des bvitg, bei der Eröffnung. Zu den Topthemen der dreitätigen Veranstaltung zählen ihm zufolge in diesem Jahr die künstliche Intelligenz, die ePA, die Pflegedigitalisierung, IT-Sicherheit, Interoperabilität und Standardisierung sowie die Diskussion ethischer Fragen wie etwa die Datenspende.
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