Experten mehrheitlich für Tabakwerbeverbot

Berlin – Nachdem ein Tabak-Außenwerbeverbot in der vergangenen Legialsturperiode am Widerstand der Union scheiterte, gibt es nun einen neuen Anlauf im Bundestag. Grüne und Linke legten parlamentarische Initiativen vor – auch die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), wirbt für einen neuen Anlauf. Heute befasste sich der für gesundheitlichen Verbraucherschutz zuständige Agrarausschuss des Bundestags in einer Expertenanhörung mit dem Thema.
In der Anhörung sprachen sich sechs von acht Fachleuten für ein umfassendes Tabakwerbeverbot aus. Frank Henkler-Stephani vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) stellte zum Beispiel in der Anhörung fest, dass die Raucherquote mit 25 Prozent in Deutschland deutlich höher liege als in vergleichbaren Industrieländern wie den Niederlanden und Großbritannien. Der Wissenschaftler erläuterte, dass in den Vergleichsländern weitreichende Werbebeschränkungen gelten würden.
Reiner Hanewinkel vom IFT-Nord Institut für Therapie- und Gesundheitsförderung wies darauf hin, dass Werbung für Tabak und E-Zigaretten für Kinder und Jugendliche eine Rolle spiele. Zahlreiche Studien würden zeigen, dass Tabakwerbung als eigenständiger Risikofaktor für die Initiierung des Rauchens angesehen werden müsse. Auch neue Tabaksticks und E-Zigaretten sollten nach Meinung von Hanewinkel verboten werden. Darüber hinaus müsse auch die E-Zigarettenwerbung in ihrem Einfluss auf das Verhalten der Kinder mit in die Verbotsbemühungen einbezogen werden.
Krebserkrankungen könnten verhindert werden
Tobias Effertz von der Universität Hamburg stimmte den Verbotsforderungen zu. Nach Schätzung des Wissenschaftlers kosten die Folgen des Rauchens die Gesellschaft jedes Jahr 97 Milliarden Euro. Insbesondere erwachsene Raucher würden trotz der gesunkenen Raucherprävalenzen bei den Jugendlichen verstärkt weiterrauchen. Alle Sozialversicherungszweige könnten davon profitieren, wenn das Rauchen insgesamt weiter zurückgeführt werden würde.
Ute Mons vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg bezeichnete Tabakkonsum als das größte vermeidbare Krebsrisiko dieser Zeit. Allein in diesem Jahr könnten 85.000 Krebsneuerkrankungen und damit jede fünfte Krebserkrankung auf das Rauchen zurückgeführt werden.
Mons sah ein Werbeverbot ebenfalls als erforderlich an, denn es gebe einen kausalen Zusammenhang zwischen Tabakwerbung und einem erhöhten Tabakkonsum. Werbung für Tabakerzeugnisse werde nicht nur von erwachsenen Rauchern, sondern auch von Jugendlichen wahrgenommen und befördere den Einstieg. Ein Außenwerbeverbot sei deshalb erforderlich und würde eine Schutzlücke schließen.
Gegen ein Totalwerbeverbot richtete sich Jan Mücke vom Deutschen Zigarettenverband. Weil bereits ein weitreichendes Tabakwerbeverbot durchgesetzt sei, würde ein vollständiges Verbot der Werbung einen Eingriff in die Freiheitsrechte der Unternehmen darstellen, argumentierte Mücke.
Christoph Degenhart von der Universität Leipzig bewertete ein Totalverbot ebenfalls als unverhältnismäßig. Er bewertete ein mögliches Verbot der Außenwerbung als intensiven Grundrechtseingriff, weil auch die Werbung Ausdruck grundgesetzlicher kommunikationsrechtlicher Freiheit sei und grundrechtlich geschützt.
Die Linksfraktion forderte in ihrem Antrag ein umfassendes Verbot aller Formen der Kino- und Außenwerbung für Tabakprodukte, ein Verbot der kostenlosen Abgabe von Tabakerzeugnissen, ein Verbot des Tabaksponsorings sowie ein Verbot des gezielt an Jugendliche gerichteten Tabakmarketings. Deutschland habe das Rahmenübereinkommen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Eindämmung des Tabakgebrauchs unterzeichnet, aber nicht umgesetzt, kritisieren die Abgeordneten.
Die Grünen traten ebenfalls für ein Werbeverbot für Tabakerzeugnisse, elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter ein und wandten sich gegen die kostenlose Abgabe von Tabakerzeugnissen. Deutschland sei das einzige Land in der EU, in dem großflächige Außenwerbung auf Plakaten oder Tabakwerbung im Kino noch immer erlaubt seien, heißt es in der Vorlage. Mit dem Gesetzentwurf sollen „vermeidbare Risiken für die menschliche Gesundheit insbesondere bei Kindern und Jugendlichen reduziert werden“.
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