Politik

Härtefallfonds: Bis zu acht Milliarden Euro beschlossen

  • Donnerstag, 3. November 2022
Bundeskanzler Olaf Scholz (2.v.l., SPD), Stephan Weil (l, SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen, und Hendrik Wüst (2.v.r., CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen /picture alliance, Kay Nietfeld
Bundeskanzler Olaf Scholz (2.v.l., SPD), Stephan Weil (l, SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen, und Hendrik Wüst (2.v.r., CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen /picture alliance, Kay Nietfeld

Berlin – Bund und Länder haben sich gestern Abend auf einen Härtefallregelung geeinigt, der Einrichtungen im Gesundheitswesen in Not zusätzliche Hilfen bereitstellen soll.

In dem zehnseitigen Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt, heißt es, dass aus den Mitteln des Wirtschaftsstabilisierungsfonds eine Härtefall­regelung finanziert werden soll.

Der Wirtschaftsstabilisierungs­fonds, der in der Pandemie für Unternehmens­hil­fen eingerichtet worden ist, soll nun für die Abfederung der aktu­ellen Krise mit bis zu 200 Milliarden Euro aus­gestattet werden.

Das hatten Bundestag und Bundesrat bereits abgesegnet. Mit dem Geld sollen Hilfsprogramme für Bereiche finanziert werden, in denen trotz der Strom- und Gaspreisbremse finanzielle Belastungen bestehen, die von den Betroffenen nicht ausgeglichen werden können.

Dafür sieht der Bund insgesamt zwölf Milliarden Euro vor. Acht Milliarden Euro davon sollen „insbesondere auch für Krankenhäuser, Universitätskliniken und Pflegeeinrichtungen zur Verfügung stehen, um sie bei den gestiege­nen Energiekosten zu unterstützen“.

Auch wenn diese ebenfalls von der Gas- und Strompreisbremse profitierten, seien sie „in besonders hohem Maße“ belastet und nicht immer und umfassend in der Lage, Energiekosten durch einen geringeren Verbrauch oder mehr Energieeffizienz schnell zu reduzieren, heißt es im Beschluss, für den im Wesentlichen der Text aus der Beschlussvorlage übernommen wurde.

Eine Milliarde Euro sollen für die sozialen Dienstleister der Rehabilitation und Teilhabe bereitstehen, wie Eck­punkte der Regierung zeigen. Auch die weiteren Organisationen und Erbringer sozialer Dienstleistungen im Sys­tem der Sozialversicherung werden mit einer Milliarde Euro unterstützt. Beides ist im Beschluss selbst nicht erwähnt.

„Diese zehn Milliarden Euro für die soziale Infrastruktur sind ein wichtiger Schritt, um unsere gute Gesund­heits­versorgung auch in schwierigen Zeiten sicherzustellen“, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, Dagmar Schmidt.

Das Bundes­minis­terium für Gesundheit (BMG) wies auf Nachfrage darauf hin, dass Vorsorge- und Rehabilitations­ein­richtungen durch gesonderte Maßnahmen unterstützt würden. Eine Entlastung solle unter anderem durch eine Berücksichtigung bei der „Soforthilfe“ für Gas und Wärme im Dezember erfolgen.

Zusätzliche Maßnahmen seien ein ergänzendes Hilfsprogrammes für Soziale Dienstleister sowie die Abfede­run­gen der Kostensteigerungen durch Preisbremsen für Gas, Wärme und Strom. An der Ausgestaltung des Hilfs­pro­gramms werde im BMG in Abstimmung mit anderen Ressorts bereits „intensiv gearbeitet“. Die konkrete Ausge­staltung bleibe abzuwarten.

Härtefallfonds gilt nicht für Niedergelassene

Keine Unterstützung aus dem Härtefallfonds können sich Medizinische Versorgungszentren und Arztpraxen machen. Medizinische Versorgungszentren seien keine zugelassenen Krankenhäuser, hieß es vom BMG dazu.

Die Arztpraxen würden im Rahmen der beschlossenen Unterstützungsmaßnahmen unterstützt, indem sie von den Maßnahmen wie der Preisbremse für Gas, Wärme und Strom sowie der Soforthilfe für Gas und Wärme pro­fitierten, so das Ministerium weiter. Heißt: Auch sie bekommen keinen Zugriff auf Mittel aus dem Härtefallfonds.

Dem Vernehmen nach sollen die Fachminister auf Bundes- und Länderebene noch über Details für den Hilfsfonds sprechen. Das Haus von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) soll eine Verordnung auf den Weg brin­gen. Das soll schnell gehen.

„Das BMG arbeitet mit Hochdruck und in Abstimmung mit den beteiligten Ressorts an der entsprechenden Um­setzung“, sagte eine Sprecherin. Es werde „angestrebt“, eine schnelle Finanzhilfe für den Zeitraum von Oktober 2022 bis April 2024 zur Vermei­dung von Insolvenzen von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen zu gewähren.

Eile angemahnt, Kritik aus der Ärzteschaft

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hatte bereits gestern gesagt, die Mittel würden den Kliniken über die Finanzengpässe des kommenden Jahres helfen. Bei der Umsetzung mahnte die DKG zur Eile. Es müsse alles getan wer­den, damit die zugesagten Finanzmittel schnellstmög­lich bei den Kliniken ankommen, hieß es. Das Auszahlungs­ver­fahren müsse so gestaltet sein, dass spätestens im Januar Geld fließe und die Liquiditätsengpässe der Krankenhäuser reduziert würden.

„Aktuell müssen zahlreiche Krankenhäuser Überbrückungskredite in Anspruch nehmen, um Löhne und Gehälter sowie Rechnungen fristgerecht bezahlen zu können. Wir vertrauen darauf, dass auf die Worte Taten folgen“, sagte DKG-Chef Gerald Gaß.

Bundesärztekammer (BÄK) und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hatten zuletzt wiederholt angemahnt, die niedergelassenen Ärzte nicht zu vergessen.

Die KBV machte heute in einem Schreiben an den Minister, das dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt, erneut darauf aufmerksam, dass „die Arztpraxen und unter diesen mit besonderer Dringlichkeit auch die sogenannten Hoch­energiefächer unter der derzeitigen Lage leiden“ würden. Gemeint sind zum Beispiel die Radiologen, die massiv von den Erhöhungen der Strom- und Gaspreise betroffen sind.

Man weise darauf hin, dass alleine der Betrieb eines MRT jährliche Strommengen erfordere, die einen Zwei-Per­so­­nen-Haushalt für 30 Jahre versorgen würde, schreiben die KBV-Vorstände Andreas Gassen, Stephan Hofmeister und Thomas Kriedel. Es bestehe somit „ein dringlicher Bedarf, die Akteure des Gesundheitswesens einheitlich vor den drastischen Kostensteigerungen zu schützen und letztlich damit auch die ambulante Versorgung der Patien­ten zu sichern.

„Es ist ganz sicher richtig, den Kliniken mit Blick auf Energie­kos­ten und galoppierende Inflation jetzt schnell und mit Augenmaß unter die Arme zu greifen. Aber was ist mit den zehntausenden Praxen, die unter denselben Be­lastungen leiden? Auch die brauchen Hilfe“, sagte der Vorsitzende des Hartmannbundes, Klaus Reinhardt, der zugleich BÄK-Präsident ist.

Neben dem Härtefallfonds wurden gestern eine Reihe weiterer Regelungen beschlossen, unter anderem die Strom- und Gaspreisbremse. Neben der Übernahme des Dezemberabschlags der Gasrechnung soll im kommen­den Jahr der Gaspreis für einen bestimmten Verbrauch gedeckelt werden – ab Januar für die Industrie, für Privatkunden ab März.

Die Länder konnten sich nicht damit durchsetzen, die „Winterlücke“ zwischen Dezemberabschlag und März zu schließen und auch für die Privatkunden eine Preisbremse schon ab Januar zu erreichen. Sie haben aber die Zu­sage vom Bund bekommen, dass eine Umsetzung für Februar angestrebt werden soll.

Die geplante Strompreis­bremse soll dagegen schon „zum 1. Januar 2023 entlastend wirken“, wie es im Beschluss von Bund und Ländern heißt. Bei Holzpellets und Ölheizungen könnte es auch Hilfen geben, aber Bund und Länder bleiben in dem Punkt noch ziemlich vage.

„Wir haken uns unter und wir lösen die Probleme unseres Landes gemeinsam“, sagte Scholz nach den Beratungen. Die Verständigung zur Finanzierung von Entlastungsmaßnahmen sei sehr sorgfältig vorbereitet und dann zügig gefunden worden. Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD), sagte, man habe Themen über die es monatelang Streit gegeben habe zwischen Bund und Ländern, abräumen können.

Zu den Beschlüssen gab es Lob und Kritik. In Bezug auf den Härtefallfonds für Krankenhäuser zeigte sich der stellvertretende gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Christos Pantazis, erleichtert.

„Mit der finanziellen Unterstützung vom Bund wird die Liquidität der Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen trotz steigender Energiepreise gesichert“, sagte er. Die Gesundheitsversorgung sei damit „auch in schwierigen Zeiten sichergestellt und hat höchste Priorität“. Pantazis betonte, als Mediziner kenne er die finanziellen Proble­me vieler Krankenhäuser auch ohne diese enormen aktuellen Belastungen nur zu gut.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann begrüßte, dass auch Härtefallregelungen für Kulturbetriebe, soziale Träger, Bildungs- und Forschungseinrichtungen sowie Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen beschlos­sen wurden. „Die hohen Energiekosten sind auch für viele soziale und kulturelle Einrichtungen eine drückende Last und bedrohen den gesellschaftlichen Zusammenhalt.“

may/dpa/afp/kna

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