Fachgesellschaften für mehr Gendiagnostik zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Münster/Berlin – Die Möglichkeiten der Gendiagnostik zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden in Deutschland zu wenig genutzt. Das kritisieren die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie, die Gesellschaft für Humangenetik und die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie in einem Konsensuspapier. Es ist in der Zeitschrift Die Kardiologie erschienen (DOI: 10.1007/s12181-023-00622-3).
„Viele Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden durch Defekte in einem oder wenigen Genen verursacht. Zudem manifestieren sich solche Krankheiten oft erst im Erwachsenenalter, weshalb es hilfreich ist, sie frühzeitig zu erkennen“, sagte Sabine Klaassen aus der Autorengruppe des Papiers. Klaassen ist Leiterin der Forschungsgruppe Klinische Kardiogenetik am Experimental and Clinical Research Center sowie Fachärztin am Deutschen Herzzentrum Charité.
Das Konsensuspapier beschreibt Bedeutung, Vorgehen und rechtliche Regelungen der molekulargenetischen Diagnostik und gibt diagnostische Empfehlungen für die wichtigsten genetisch bedingten Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Die häufigste Erkrankung des Herz-Kreislauf-Systems, die durch den Defekt eines einzelnen Gens verursacht wird, ist die familiäre Hypercholesterinämie (FH). Betroffene haben ein erhöhtes Risiko, frühzeitig einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, was bei ihnen nicht auf einen ungünstigen Lebens- oder Ernährungsstil zurückzuführen ist.
„Wir müssen Patienten mit FH-Gendefekten herausfiltern, denn bei ihnen kann das Herzinfarktrisiko durch Medikamente wie Statine oder PCSK9-Hemmer deutlich gesenkt werden“, erklärte Heribert Schunkert, Principal Investigator am Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), Standort München, und Letztautor des Konsensuspapiers.
Eine weitere wichtige Erkrankung, bei der die Gendiagnostik helfen kann, sind laut Papier erbliche Herzrhythmusstörungen. Sie können zum plötzlichen Herztod führen. Auslöser ist ein defektes Gen. Betroffene könnten aber gut geschützt werden, wenn die Erkrankung rechtzeitig erkannt werde.
Bei der Anwendung der Gendiagnostik gibt es nach Ansicht des Autorenteams gravierende Defizite: „Wir brauchen mehr spezialisierte Ambulanzen, damit Betroffene genauer diagnostiziert, zentraler betreut und besser beraten werden können“, so Klaassen. Zudem müsse mehr medizinisches Personal entsprechend geschult werden. Die Möglichkeiten der Gendiagnostik seien außerdem in der Bevölkerung noch zu wenig bekannt, so die Kritik.
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