Finanzierung für Komplexversorgung schwer psychisch Kranker geklärt, weiter Diskussionen
Berlin – Ab Oktober dieses Jahres kann die sogenannte Komplexversorgung schwer psychisch kranker Menschen starten. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Deutsche Krankenhausgesellschaft und Krankenkassen haben die Vergütung für die neue Leistung vereinbart.
Nach dem Beschluss gibt es laut der KBV neun Gebührenordnungspositionen (GOP) für die ambulante Komplexversorgung, die ab 1. Oktober in einem neuen Abschnitt 37.5 im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) aufgeführt werden.
Dazu gehören die Eingangssprechstunde (GOP 37500) und die differentialdiagnostische Abklärung (GOP 37510). Für je vollendete 15 Minuten werden jeweils 26,02 Euro gezahlt. Beide Leistungen sind bis zu viermal im Krankheitsfall berechnungsfähig.
Für das Erstellen des Gesamtbehandlungsplans kann der Bezugsarzt beziehungsweise der -therapeut die GOP 37520 einmal im Krankheitsfall abrechnen (50,47 Euro). Er oder sie kann außerdem für zusätzliche Aufgaben einmal im Quartal die GOP 37525 (50,70 Euro) ansetzen.
„Die neuen Leistungen der ambulanten Komplexversorgung können Ärztinnen und Ärzte der Fachrichtungen Psychotherapie und Psychiatrie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Nervenheilkunde, Neurologie und Psychiatrie sowie ärztliche und psychologischen Psychotherapeuten abrechnen, die sich in einem regionalen Netzverbund zusammengeschlossen haben“, informiert die KBV. Der Netzverbund benötige zudem eine Genehmigung der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss hatte im vergangenen September die sogenannte KSVPsych-Richtlinie beschlossen – sie sieht vor, dass schwer psychisch Kranke künftig durch ein Netz aus Ärzten beziehungsweise Psychotherapeuten versorgt werden sollen. Patienten können dabei eine ärztliche oder therapeutische Bezugsperson bestimmen, die für sie die gesamte Behandlung plant und alle daran Beteiligten koordiniert.
Verbände und Gesellschaften der Psychotherapie kritisieren die Richtlinie seither scharf. „Die ambulante Komplexversorgung wird scheitern, wenn nicht kurzfristig gravierende Fehler behoben werden“, erneuerte Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), die Kritik.
Zentraler Streitpunkt ist, dass die neue Richtlinie vorsieht, Leistungserbringer mit halben Praxissitzen von der zentralen Koordinierungsrolle auszuschließen. „In der Versorgung schwer psychisch Kranker drohen erhebliche Engpässe, weil die Mehrheit der Psychotherapeuten von der zentralen Koordinatoren-Rolle ausgeschlossen wurde“, hieß es aus der BPtK.
Munz kritisiert nun, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) dies nicht ändern, sondern zunächst offenbar die Ergebnisse einer fünfjährigen Evaluation durch den Gemeinsamen Bundesausschuss abwarten will. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Unionsfraktion hervor. „Bundesgesundheitsminister Lauterbach stößt damit schwer psychisch Kranken vor den Kopf. Sie werden insbesondere in vielen ländlichen Regionen keine Behandler finden, die ihnen die neue multiprofessionelle und ambulante Versorgung anbieten“, kritisierte Munz.
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