Gassen: Bund bei Konsolidierung der GKV-Finanzen auch selbst gefragt

Berlin – Der Staat fordert Sparmaßnahmen in allen Bereichen des Gesundheitswesens, kommt aber seiner eigenen Fürsorgepflicht „auf Kosten der Solidargemeinschaft“ nicht nach. Das hat heute Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), in Berlin betont.
Anlässlich der KBV-Vertreterversammlung kritisierte er, eine Herausnahme versicherungsfremder Leistungen aus der gesetzliche Krankenversicherung (GKV) werde trotz der schwierige Lage der Krankenkassen konsequent verweigert.
Allein die konsequente Finanzierung der Gesundheitsleistungen für Bürgergeldbeziehende würde rund zehn Milliarden Euro an Ersparnis für die Kassen bringen, so Gassen. Deshalb unterstütze man als KBV auch die entsprechenden Klagen des GKV-Spitzenverbandes.
Scharfe Kritik äußerte Gassen an politischen Ideen, Sparmaßnahmen im niedergelassenen Bereich umzusetzen. Man habe bei den Finanzierungsverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband für 2026 eine Erhöhung des Orientierungswertes um 2,8 Prozent ausgehandelt – obwohl aufgrund der Kostensteigerungen das Doppelte gerechtfertigt gewesen wäre.
Dieser für die Praxen schwieriger Kompromiss sei aufgrund der problematischen Finanzen der GKV eingegangen worden und bedeute eine Einsparung für die Krankenkassen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro. Zudem erfolgten dreizehn Prozent der Termine – fast 43 Millionen – im fachärztlichen Versorgungsbereich aufgrund der gedeckelten Gesamtvergütung ohne Bezahlung.
Deshalb müsse die logische Folge die Entbudgetierung aller entsprechenden fachärztlichen Leistungen – statt weiterer Kürzungen im vertragsärztlichen Bereich – sein. Das sei notwendig, wenn die Bundesregierung eine sinnvolle Steuerung und bei entsprechendem medizinischem Bedarf eine schnellere fachärztliche Versorgung erreichen wolle.
Die kürzlich öffentlich gewordenen Vorschläge der Krankenkassen seien mit Blick auf die geforderte Rücknahme der Entbudgetierung von Haus- und Kinderärzten klar abzulehnen, betonte Gassen. „Sollte dieses Szenario Realität werden, werden sich die Menschen in unserem Land verwundert die Augen reiben, wie schnell ein substanzieller Anteil von Haus-, Kinder- und Fachärzten sich in den verdienten Ruhestand verabschiedet und das Wort Wartezeit auf einen Termin eine ganz neue Bedeutung erfährt.“
Dabei bestreite niemand, dass Reformen dringend nötig seien, so der KBV-Chef. Wenn man allerdings inhaltlich sinnvoll reformieren wolle, mache es auch Sinn, mit denjenigen zu sprechen, die diese Reformen umsetzen müssten. Doch das passiere leider nicht.
Gassen verwies beispielhaft darauf, dass es zum gemeinsamen Papier von KBV und der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) zur Notfallversorgung bislang keinerlei Reaktion aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) gegeben habe.
Die schwarz-rote Koalition habe sich im Koalitionsvertrag „vollmundig“ eine bessere Steuerung der Inanspruchnahme von Versorgung, mehr Effizienz und zielgerichteten Ressourceneinsatz auf die Fahne geschrieben.
Die derzeitigen Gesetzentwürfe – wie das Apothekenversorgung-Weiterentwicklungsgesetz, die Notfallreform und andere – würden diese Ziele aber eher konterkarieren. Es drohten immer mehr Parallelstrukturen und zusätzliche Angebote – vom „Impfen in den Apotheken bis zum Hausbesuchsdienst rund um die Uhr“.
Ebenfalls höchst kritisch bewertete Gassen Modelle mit einer medizinischen Beratung durch Nichtmediziner. Nicht umsonst unterliege die Ausübung von Heilkunde strengen Regularien und erfordere eine langjährige Aus- und Weiterbildung.
Sollte die Versorgung mit Ansätzen wie Gesundheits-Checks beim Discounter oder Augenscreenings in Drogerien immer weiter fragmentiert werden und jenseits der Kontrolle und Qualitätssicherung der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) stattfinden, müsse man auch die „Positionierung zum Sicherstellungsauftrag überdenken“.
Die Regierung müsse „sich zusammenraufen und endlich liefern“, forderte Gassen. Die die AfD versuche bereits, nicht wegzudiskutierende Probleme im Gesundheitswesen für sich zu kapern, um Stimmung gegen die etablierten Parteien zu machen und deren Lösungsunfähigkeit anzuprangern. „Das dürfen weder die Parteien der Mitte noch wir als niedergelassene Ärzteschaft zulassen.“ Man stehe als verlässlicher Partner für Lösungen jederzeit zur Verfügung.
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