Ärzteschaft

Gassen schlägt neue Praxisgebühr und Erhöhung der Tabaksteuer vor

  • Montag, 15. Dezember 2025
Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. /picture alliance, Britta Pedersen
Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. /picture alliance, Britta Pedersen

Düsseldorf – Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat neue Einnahmequellen für das Gesundheitssystem vorgeschlagen. Einsparpotenzial gebe es auch bei der Homöopathie und der Ambulantisierung.

Vorstellbar sei „eine Art Praxisgebühr 2.0, bei der die Kassen das Geld bei den Patienten einziehen“, sagte der Vorstandsvorsitzende der KBV, Andreas Gassen, der Rheinischen Post. „Zehn Euro Praxisgebühr pro Quartal sind zumutbar, das ist der Preis eines Döners.“

Die Gebühr solle aber nicht vor Ort beim Arztbesuch eingezogen werden, weil dies zu viel bürokratischen Aufwand für die Praxen bedeuten würde. Gassen erinnerte an das Volumen der bis 2012 erhobenen Gebühr: „Damals hat die Praxisgebühr den Kassen zwei Milliarden Euro im Jahr gebracht“, sagte er. „Zum Vergleich: Pro Patient bekommt ein Hautarzt zum Beispiel nur rund 15 Euro im Monat.“

Der GKV-Spitzenverband wies Gassens Forderungen zurück. „Einfach mehr Geld führt nicht zu einer besseren Versorgung, sondern konserviert nur die alten Strukturen“, erklärte der Sprecher des Spitzenverbands, Florian Lanz. „Das Gesundheitswesen braucht Veränderung, keinen Stillstand.“

Es gebe in der GKV „kein Einnahmenproblem, sondern ein Ausgabenproblem“. An dem aktuell von der Bundesregierung geplanten Sparpaket sollten sich auch Pharmaindustrie und niedergelassene Ärzte beteiligen.

Eine generelle Praxisgebühr für Arztbesuche gab es für gesetzlich Versicherte von 2004 bis Ende 2012 in Höhe von pauschal zehn Euro pro Quartal. Diese führte jedoch zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand, die Einsparungen blieben hinter den Erwartungen zurück. Zugleich ging die Zahl der Arztbesuche zurück, was Befürchtungen auslöste, dass auch medizinisch sinnvolle Vorsorgetermine oder Behandlungen ausblieben.

KBV-Chef Gassen mahnt zugleich eine Steuer auf Zucker und die Erhöhung der Steuern auf Tabak und Alkohol an. „Es gibt Wege, Einnahmen gezielt zu erhöhen: Wir brauchen endlich eine Zuckersteuer wie in skandinavischen Ländern. Zugleich sollte die Tabak- und Alkoholsteuer erhöht werden und die Einnahmen zweckgebunden in das Gesundheitswesen gehen, sie dürfen nicht wie bisher im Bundeshaushalt versickern.“

Gassen nannte in dem Interview auch Zahlen. „Zwei Euro Steuern mehr pro Zigarettenpackung wären doch ein guter Anfang. Das würde rund sieben Milliarden Euro im Jahr bringen - und wenn es Jugendliche vom Rauchen abhält, umso besser.“ Rauchen sei schließlich die Hauptursache für Lungenkrebs, Herzinfarkte, Schlaganfälle.

Gassen bekräftigte auch seine Forderung, die Homöopathie als Kassenleistung zu streichen. Es gebe keine Evidenz, dass Homöopathie wirkten, sagte er. „Menschen sollen gerne Globuli und Mistel-Zweige einsetzen, wenn sie daran glauben – aber nicht zulasten der Beitragszahler. Allein für Homöopathie zahlen die Kassen 50 Millionen Euro im Jahr“, so Gassen.

Er forderte das Bundesgesundheitsministerium auch auf, die Erstattung von Gesundheits-Apps zu streichen – beispielsweise von Apps, die Versicherte mit Handy oder Computer nutzen können, um das Rauchen aufzugeben oder Depressionen zu lindern. Mit solchen Apps werde „ohne erwiesenen Nutzen viel Geld verschwendet“, kritisierte der Verbandschef.

„Es gibt keine echte Bewertung des medizinischen Nutzens, keine Kontrolle, ob diese Anwendungen überhaupt genutzt werden“, fügte er hinzu. Gassen verwies auf die Kosten dieser Gesundheits-Apps. Diese hätten zwischen 2020 und 2024 rund 234 Millionen Euro gekostet, und die Ausgaben würden steigen.

In der Debatte über eine Krankenhausreform forderte der KBV-Chef die Schließung weiterer Kliniken. „Es gibt unverändert zu viele Krankenhäuser, wir brauchen eine Konzentration der Standorte und echte Ambulantisierung“, sagte er. Der größte Kostentreiber seien nun einmal die Krankenhäuser; hier könne und müsse gespart werden.

„Mindestens jeder fünfte Klinikfall – die Krankenkassen sprechen gar von 60 Prozent – könnte ambulant und damit günstiger und patientenfreundlicher erledigt werden“, fügte er hinzu. „Bei uns werden Operationen stationär vorgenommen, die im Rest der Welt seit langem ambulant erbracht werden.“

Zugleich kritisierte er die Sparpläne der Kassen. Diese würden „das System und die Versorgung der Menschen in unserem Land an die Wand“ fahren. Die niedergelassenen Ärzte stünden für 97 Prozent der Versorgung und nur 16 Prozent der Ausgaben. „Sie sollen ständig mehr Aufgaben übernehmen und immer weniger Geld erhalten – ein Wahnsinn. Das werden die Ärzte und Psychotherapeuten sich nicht gefallen lassen.“

Noch mehr Praxen würden in diesem Fall schließen, warnte Gassen. Fast 40 Prozent der Hausärzte seien bereits über 60 Jahre alt, etliche werden eben ihre Praxis dann zumachen. Insbesondere aber auch Fachärzte würden im Falle weiterer Kürzungen reagieren. „Für 43 Millionen Behandlungsfälle im Jahr, das sind 13 Prozent, werden sie unverändert nicht bezahlt“, betonte Gassen. Würden diese Termine nicht mehr angeboten, würde es deutlich längere Wartezeiten geben.

afp/kna

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