Gefährdete Diabetesversorgung durch Telemedizin verbessern

Berlin – Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) warnt vor einer durch die SARS-CoV-2-Pandemie bedingte Unterversorgung von Diabetespatienten in Deutschland. Endokrinologen und Diabetologen beobachten der Fachgesellschaft zufolge einen starken Rückgang der Patientenzahlen in ihren Praxen.
Dies sei einerseits einem reduzierten Praxisbetrieb zum Zwecke des Infektionsschutzes seit Mitte März geschuldet, sagte DDG-Präsidentin Monika Kellerer heute bei einer Pressekonferenz. Andererseits sei festzustellen, „dass Menschen mit Diabetes aus Angst vor Ansteckung vielfach ihre Arzttermine nicht wahrnehmen“.
Speziell bei Diabetespatienten, deren Stoffwechsellage der stetigen Kontrolle bedarf, kann das Auslassen oder Verschieben von Vorsorge- und Behandlungsterminen dazu führen, dass Notfallsituationen zu spät identifiziert und Folgeerkrankungen begünstigt werden. Schwere Hypoglykämien, Ketoazidosen oder ein unbehandelter diabetischer Fuß gehen mit dramatischen Folgen für die Gesundheit einher.
Kellerer zufolge ist nicht auszuschließen, dass es aufgrund der Umstellungen in der klinischen Versorgung zum Beispiel zu einem Anstieg von Fußamputationen bei Diabetespatienten kommen könnte. „Der gesundheitspolitische Fokus hat sich in den vergangenen Wochen so sehr auf die COVID-19-Patienten gerichtet, dass nun chronisch und akut Erkrankte Gefahr laufen, unter die Räder zu geraten“, mahnte die DDG-Präsidentin.
Gerade für Diabetespatienten sei eine gute Therapie in diesen Tagen lebenswichtig, denn es habe sich gezeigt, dass Diabetiker mit schlechter Stoffwechseleinstellung ein signifikant erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf haben.
Profitieren könnte die Diabetologie in Pandemiezeiten davon, dass die Digitalisierung in der Disziplin bereits weiter fortgeschritten ist als in vielen anderen Fachgebieten.
In der Diabetesbehandlung stehe die „sprechende Medizin“ im Vordergrund, sagte Karin Schlecht, niedergelassene Fachärztin für Allgemeinmedizin, Diabetologie und Reisemedizin in Eisenach. „Insgesamt bietet sie eine Steilvorlage für Telemedizin wie Videosprechstunden, Telemonitoring und Telekonsile.“
Laut Schlecht bietet die Telemedizin zahlreiche Vorteile sowohl für die Patienten, die sich nicht in die Praxis bemühen müssen, als auch die Behandler. Die Medizinerin nannte etwa die Ortsunabhängigkeit, die einfach Vergabe von Onlineterminen, den Vorteil, Patient und Krankheitsverlauf während der Beratung im Blick zu haben, die Möglichkeit bei akuten Problemen schnell reagieren zu können und bei Bedarf in Echtzeit Kollegen für ein Konsil zuzuschalten.
Auch die Abrechnung sei unkompliziert möglich, so Schlecht, dennoch gebe es bei der Finanzierung Verbesserungsbedarf. Während sich Videosprechstunden problemlos abrechnen ließen, gebe es zum Beispiel für das Telemonitoring in der Diabetologie keine Vergütung. Die Ärztin verlieh der Hoffnung Ausdruck, dass sich der durch die Coronakrise bedingte Trend zur Telemedizin auch in Nichtkrisenzeiten fortsetzen wird – und „nicht am GKV-System scheitert“.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: