Politik

Gemeinsamer Bundesausschuss hält Fristen immer häufiger ein

  • Dienstag, 26. Mai 2020

Berlin − Vorwürfe über zu lange Beratungsverfahren sehen sich die Mitglieder des Ge­meinsamen Bundesausschuss (G-BA) sowie die drei Unparteiischen immer wieder ausge­setzt. In dem jährlichen Bericht über die Fristen von Beratungsverfahren der vergangenen zwölf Monate lässt sich allerdings ablesen, dass die Statistik eine andere Sprache spricht.

So wurden zwischen April 2019 und März 2020 insgesamt 918 Beratungen bearbeitet, von denen 571 beschlossen wurden und 347 noch laufende Verfahren sind. Damit wur­den 898 fristgerechte Verfahren in dem Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung bearbeitet.

Bei drei Verfahren wurde die gesetzliche Frist von drei Jahren überschritten, bei 17 Ver­fah­­ren dauern die Beratungen bereits deutlich länger als drei Jahre. Insgesamt seien allerdings nur 2,2 Prozent der Verfahren nicht fristgerecht abgeschlossen worden, be­tonte der Unparteiische Vorsitzende Josef Hecken in seinem aktuellen Bericht.

„In den wenigen Fällen, in denen eine Überschreitung der gesetzlichen Frist oder der maximalen Verfahrensdauer von drei Jahren festzustellen ist, sind in der Regel besonde­re, verfahrensspezifische Probleme und Fragestellungen für die länger als geplant an­dau­ernden Beratungsprozesse ursächlich“, schreibt Hecken. Im Vergleich zum Vorjahreszeit­raum wurden 73 Beratungsthemen mehr bearbeitet – damit sei eine Steigerung der Be­schlüsse von 8,6 Prozent erreicht worden, heißt es.

Laut Hecken zeigt der Bericht, dass „der G-BA seine vom Gesetzgeber übertragenen Auf­gaben nicht nur auf einem qualitativ hohen Niveau erfüllt, das international große Aner­kennung findet, sondern auch die weit überwiegende Zahl der Verfahren fristgerecht ab­schließt.“ Seit der Einführung der Berichtspflicht habe der absolute Anteil an langwie­ri­gen Verfahren abgenommen.

Da das Parlament immer mehr Aufträge an das Selbstverwaltungsorgan gebe, sei die Beschleunigung der Verfahren sowie „eine weitere höhere Verfahrensstringenz unabding­bar“, so Hecken weiter.

Zudem habe es 2019 mehrfach Versuche des Bundesgesundheitsministeriums gegeben, die Kompetenz des G-BA zu verringern, mahnt Hecken: „Evidenzbasiert und unabhängig von tagespolitischer Aktivität entscheiden zu können, ist – ungeachtet der zuweilen ge­äußerten öffentlichen Kritik – das Alleinstellungsmerkmal und der entscheidende Vorteil der im G-BA repräsentierten gemeinsamen Selbstverwaltung.“

Langjährige Begleiter abgeschlossen

Im vergangenen Jahr hat der G-BA auch einige Beschlüsse und Themen abgeschlossen, die die Selbstverwaltung schon länger beschäftigen: Dazu zählen die beiden neuen Dis­ease-Management-Programme (DMP) chronischer Rückenschmerz sowie Depress­ionen, deren Erarbeitung bereits 2015 als Gesetzesbeschluss an das Gremium überwie­sen worden war. Im April 2019 wurde das DMP für Rückenschmerz, im August 2019 das DMP für Depressionen verabschiedet.

Ebenso wurde das langjährige Verfahren zur nichtinvasiven Pränataldiagnostik zur Be­stimmung des Risikos autosomaler Trisomien 13, 18 und 21 (NIPT) im September 2019 beschlossen. Sobald die Versicherteninformationen entwickelt und vom G-BA beschloss­en sind, kann es den NIPT-Test zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) geben. Dies wird für Ende 2020 erwartet.

Im vergangenen November wurde ebenfalls der seit 2013 bestehende Beratungsvorgang zur systemischen Therapie bei Erwachsenen beschlossen. Im Juni wurde die Beratung der Bewertung zu biomarkerbasierten Tests bei einer Entscheidung für oder gegen eine adju­vante systemische Chemotherapie beim primären Mamakarzinom abgeschlossen, die seit Dezember 2013 bearbeitet wurde.

Eingestellt wurde beispielsweise die Methodenbewertungsverfahren zum gFOBT-Test bei der Früherkennung des Darmkrebses sowie zum Psychotherapieverfahren tiefenpsycholo­gisch fundierte Psychotherapie, analytischer Psychotherapie sowie Verhaltenstherapie, das seit April 2008 anhängig war.

Fristen verändert

Für den G-BA und die Geschäftsstelle ergeben sich durch einige gesetzliche Änderungen aus den vergangenen Monaten deutliche Änderungen in den vorgegebenen Fristen: Mit dem Gesetz zur Einrichtung eines Implantateregisters (EIRD) wurden die Fristen für die Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Ver­sorgung beschleunigt.

Ab Anfang 2020 soll ein Methodenbewertungsverfahren nicht mehr drei, sondern zwei Jahre dauern. Wenn sechs Monate vor Ablauf der Frist klar wird, dass das Verfahren nicht zeitig abgeschlossen werden kann, hat der unparteiische Vorsitzende einen eigenen Vor­schlag zur Beratung vorzulegen. Damit soll vor allem der Druck auf die Bänke im G-BA – die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und den GKV-Spitzenverband – zu einer Einigung erhöht werden.

Positives aus der Politik

Der Bericht, den Hecken seit vier Jahren dem Gesundheitsausschuss im Bundestag vor­legt, aber oftmals nach seiner Aussage nicht beachtet werde, wird in diesem Jahr von Ge­sundheitspolitikern positiv bewertet.

„Die vorgelegten Zahlen aus dem jüngsten Bericht in der Tat sehr positiv“, sagte die ge­sundheitspolitische Sprecherin der Unions­fraktion, Karin Maag, dem Deutschen Ärzte­blatt (DÄ). Zudem habe der G-BA mit seinen Beschlüssen in der Pandemiesituation „sehr dazu beigetragen, die Patientenversorgung besonders im ambulanten Bereich“ erleichtert wurde, so Maag weiter.

Aber: „Auch wenn ich grundsätzlich großen Respekt vor der Arbeit des G-BA habe, gab es in den letzten Jahren einige überlange Verfahrensdauern, die nicht zufriedenstellend wa­ren – ich nenne hier nur das Beispiel der biomarkerbasierten Tests bei Brustkrebserkran­kungen.“ Daher wolle sie weiter im Austausch über die Verfahrensfristen mit dem G-BA bleiben.

Ob es im Gesundheitsausschuss zum Bericht Beratungen gibt, ist aber unklar. Der Aus­schussvorsitzende Erwin Rüddel (CDU) schreibt auf Anfrage des : „Sollte es Gesprächs­bedarf der Fraktionen dazu geben, wird das Thema auf die Tagesordnung gesetzt. Dazu würde dann auch der Vorsitzende des G-BA, Prof. Josef Hecken, eingeladen, um den Ab­geord­neten Rede und Antwort zu stehen, so wie dies letztes Jahr auch geschehen ist.“

Für die SPD leitet der G-BA „sehr gute Arbeit“ und halte „trotz aller Kritik die Fristen zum überwiegenden Teil ein“, so die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestags­fraktion Sabine Dittmar. Daher sei der G-BA eine „unverzichtbare Institution in unserem Gesundheitswesen“. Zwar brauche Wissenschaft Zeit, allerdings: „Das politische Ziel ist, dass der G-BA so schnell wie möglich arbeitet und dabei seine hohen wissenschaftlichen und medizinischen Standards beibehält.“

bee

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