Gesetzentwurf zur Notfallreform kommt im Sommer

Berlin – Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) will noch in diesem Sommer einen Gesetzentwurf für eine Reform der Notfallversorgung vorlegen. Das kündigte der Abteilungsleiter für Gesundheitsversorgung und Krankenversicherung im BMG, Joachim Becker, heute bei einer Veranstaltung zur Zukunft der Notfallversorgung des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung (Zi) in Berlin an.
Im vergangenen Dezember hatte das BMG dazu Eckpunkte vorgelegt. Sie sehen unter anderem vor, gemeinsame Notfallleitstellen einzurichten, die unter den Telefonnummern 112 (Rettungsdienst) und 116117 (ärztlicher Bereitschaftsdienst) zu erreichen sind. Dort sollen Patienten nach einer qualifizierten Ersteinschätzung an die richtige Versorgungsebene weitervermittelt werden.
Außerdem sollen Kassenärztliche Vereinigungen (KVen) und Krankenhäuser gemeinsam an ausgewählten Kliniken Integrierte Notfallzentren betreiben, die als erste Anlaufstelle für Notfallpatienten dienen, diese triagieren und entweder an den Rettungsdienst, in die Krankenhausambulanz oder die Bereitschaftsdienstpraxis weiterleiten. Ziel ist es, die zunehmende Fehlinanspruchnahme von Krankenhausambulanzen und Rettungsdienst zu beenden.
Softwareunterstützte Ersteinschätzung am Telefon
Im Vorgriff auf den Gesetzentwurf haben das Zi und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) heute ein evidenzbasiertes System für die Ersteinschätzung am Telefon vorgestellt. Mit dem softwaregestützten Verfahren SmED (strukturierte medizinische Ersteinschätzung in Deutschland) sollen Patienten künftig von medizinisch qualifiziertem, nicht ärztlichem Personal durch strukturierte Fragen zur weiteren Abklärung ihrer Beschwerden in die richtige Versorgungsebene gelenkt werden.
Grundlage von SmED ist nach Angaben des Zi ein in der Schweiz erprobtes Ersteinschätzungsverfahren, das für die Anwendung in Deutschland adaptiert wurde. Abgefragt werden Patientendaten wie Geschlecht und Alter, chronische Krankheiten, Vorerkrankungen und Medikation, Leitsymptome und Begleitbeschwerden. Das Ergebnis sei keine Diagnose, sondern eine Einschätzung der Dringlichkeit der Behandlung, erklärte Zi-Geschäftsführer Dominik von Stillfried. Einige KVen arbeiteten bereits mit dem System. Ab 2020 soll es möglichst flächendeckend ausgerollt werden, so von Stillfried.
Die medizinischen Inhalte des Systems basierten auf dem Projekt „Red Flags“ des Instituts für Hausarztmedizin der Universität Bern und würden laufend aktualisiert, erklärte Andreas Meer, Geschäftsführer der Schweizer in4medizine AG, die das Schweizer Ersteinschätzungssystem konzipiert hat.
Für die laufende Weiterentwicklung, die Qualitätssicherung und Evaluation sowie die Bereitstellung der Software in Deutschland hat das Zi nach eigenen Angaben einen Kooperationsvertrag mit dem aQua-Institut und in4medicine geschlossen. Das Zi werde SmED allen KVen und zur Verfügung stellen. Auch Krankenhäuser könnten die Software lizensieren.
Keine Konkurrenz für klassische Triagesysteme
Einige Notfallmediziner hätten kritisiert, dass SmED für ihre Fälle nicht geeignet sei, räumte der stellvertretende Vorsitzende der KBV, Stephan Hofmeister, ein. Das sei ein Missverständnis. SmED sei nicht für den Einsatz bei klinischen Notfällen gedacht und deshalb auch keine Konkurrenz für etablierte Verfahren wie beispielsweise das Manchester Triage System.
„Unser Verfahren dient dazu, Menschen, die sich selbst als akut behandlungsbedürftig einschätzen und aus eigener Kraft vorstellen, ambulant weiter zu versorgen, sofern dies erforderlich und geboten ist“, sagte Hofmeister. Ein solches Ersteinschätzungssystem habe es bislang für den ambulanten Bereich schlichtweg nicht gegeben.
Das System solle zudem für den Einsatz an den gemeinsamen Tresen in den gesetzlich geplanten Integrierten Notfallzentren angepasst werden. Auch Patienten solle in naher Zukunft eine Anwendung als App beispielsweise für Smartphones zur Verfügung stehen.
„Wir wollen die Menschen dazu befähigen, eine Entscheidung zu treffen, die auf Fakten beruht und nicht auf einem bloßen Bauchgefühl oder aus einer reinen Anspruchshaltung heraus“, sagte der KBV-Vorstand. Angesichts von Fachkräftemangel und zurückgehenden ärztlichen Arbeitskapazitäten sei es dringend notwendig, mit den vorhandenen Ressourcen behutsam umzugehen.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: