Politik

Bundesländer wollen Spahn bei Notfallreform unterstützen

  • Dienstag, 23. Juli 2019
/picture alliance, Sven Hoppe
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Berlin – Die Bundesländer haben angekündigt, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bei seinem Reformvorhaben zur Notfallversorgung zu unterstüt­zen. „Ich begrüße, dass wir über die Reformierung der Notfallversorgung diskutieren“, sagte die diesjährige Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK), die sächsische Gesundheitsministerin Barbara Klepsch (CDU), der Funke Mediengruppe.

Sie kündigte an, sich die Pläne von Spahn, die vergangene Woche an die Länder über­sandt wurden, zu prüfen. Mitte August soll es ein erstes Treffen zwischen Vertre­tern des Bundesgesundheitsministeriums und den Ländern dazu geben. Spahn hatte gestern in Berlin zu einem Diskussionsentwurf aus seinem Haus Stellung genommen.

Die Pläne zu einer gemeinsamen Notfallversorgung in Integrierten Notfallzentren (INZ) sowie der Zusammenlegung der Rettungsdienstnummer 112 und der ärztlichen Bereit­schaftsdienstnummer 116117 lehnen sich an Vorschläge aus dem Gutachten des Sach­verständigenrates vom vergangenen Sommer an. Erste Eckpunkte hatte Spahn bereits vergangenen Dezember vorgestellt, jetzt sind daraus 37-Seiten-Gesetzestext geworden.

Nach Bekanntwerden der Pläne forderten Vertreter der Ärzteschaft gestern ein, dass die be­stehen­den Strukturen und Modellprojekte zunächst evaluiert und bestehende, gut funktionierende Zusammenarbeiten zwischen Vertragsärzten und Krankenhaus­ärzten nicht zerstört werden sollten.

Kollateralschäden vermeiden

Kollateralschäden in der jetzt gesetzlich angestrebten Umgestaltung der Notfallversor­gung gelte es zu vermeiden, appellierte Westfalen-Lippes Ärztekammerpräsident The­o­dor Windhorst an den Gesetzgeber. Auch angesichts endlicher Personalressourcen mahnte Windhorst gestern anlässlich eines Pressegesprächs in Münster an, durch die jetzt geplante Notfallgesetzgebung gut laufende Modellprojekte in den Regionen die Chance zur Evaluierung zu lassen und die Möglichkeit des Ausbaus dieser Projekte zu erhalten.

Das in Ostwestfalen zur Koordination von stationärer und ambulanter Versorgung in Paderborn, Höxter und Lippe für 900.000 Menschen aufgebaute Notfallprojekt einer gemeinsamen Leitstelle habe bisher positive Ergebnisse gebracht: bei circa 750 bis 800 Anrufen pro Tag würden per telefonischer Ersteinschätzung allein zwischen 20 und 30 Prozent durch die Weitervermittlung zur ambulanten Versorgung telefonisch geregelt, was die Notfallaufnahmen entlaste.

Windhorst warnte vor „übergriffigen Regelungen“ und mahnte an, die per Heilberufe­ge­setz mit dieser Aufgabe betrauten Kammern in die weitere Diskussion einzubezie­hen. Nach bisherigem Stand seien die Kammern nicht invol­viert. Der Kammerpräsi­dent appellierte an Spahn, die jetzt angegangenen Modelle „erst einmal auszuprobie­ren“. Windhorst: „Gesundheitspolitik passiert nicht auf Knopfdruck.“ Erforderlich sei vielmehr die Einbeziehung aller Beteiligten. Es ginge nicht an, dass insbesondere die „Ärzte als die Advokaten der Patienten“ von der Politik zunehmend aus diesen Pro­zessen herausgenommen werden.

Auch die Kassenärztliche Vereinigung Berlin sieht mit Sorge, dass die eigenen bisheri­gen Bemühungen in der Hauptstadt durch die neuen Pläne kontakariert werden. „Wir sind uns einig, dass die Notfallversorgung verbessert werden muss, aber nicht auf dem Rücken der Vertragsärzte, die im Zusammenspiel mit den Krankenkassen und den Krankenhäusern seit zwei Jahren eine umfangreiche Reform der Notfallversor­gung umsetzen“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der KV Berlin, Burkhard Ruppert in einer Mitteilung.

Steuern sollen die Ärzte

In Berlin gebe es beispielsweise schon eine gemeinsame Leitstelle, die zwar örtlich getrennt, aber gemeinsam Patienten in die richtige Versorgung steuert, so Ruppert weiter. „Die nächsten Projekte wie der Ausbau der Leitstelle und die Eröffnung weite­rer Notdienstpraxen – Entscheidungen, die im Übrigen in enger Abstimmung mit den Kliniken getroffen werden – stehen bereits in den Startlöchern.“

Auch sollte nicht der Berliner Senat künftig dafür zuständig sein, an welchen Standor­ten und wie viele INZ entstehen sollen. „Wir glauben, dass medizinische Fragen von Medizinern beantwortet werden müssen, und nicht vom Senat, der sich mit Blick auf die Krankenhäuser im Übrigen in dem einen oder anderen Interessenskonflikt befin­det“, so Ruppert. Das Land Berlin ist teilweise Eigentümer der betroffen Kliniken.

Für weniger Hürden Seitens des Gesetzgebers plädiert auch Susanne Johna, Bun­des­­vorstandsmitglied des Marburger Bundes (MB). „Im Ziel sind wir uns einig: Die überfüllten Notaufnahmen in den Krankenhäusern müssen dringend entlastet werden. Wir brauchen mehr Kooperation und Integration aller Beteiligten an der Notfallversor­gung.“

Sorge um Kompetenzwirrwar

Auch Johna fordert, dass bewährte Strukturen der Kooperationen zwischen Kranken­häusern und Notdiensten der KVen nicht infrage gestellt werden sollen. Zwar unter­stüt­ze der MB die Idee der INZs. „Wir haben aber Zweifel daran, dass es dafür neuer räumlich und wirtschaftlich abgegrenzter Einrichtungen wie der INZ bedarf. An Sekto­rengrenzen mangelt es uns im Gesundheitswesen wahrlich nicht. Neue Grenzziehun­gen in der Versorgung sind daher alles andere als sinnvoll“, sagte Johna.

Sie befürchtet auch, dass es zu einem „Kompetenzwirrwar“ und zu zeitlichen Verzöge­rungen komme, wenn die Definition für die Personalgestaltung sowie die Strukturen von INZ beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) liegen würden.

Der MB hatte bereits vor zwei Jahren Eckpunkte für eine Strukturreform der medizini­schen Notfallversorgung vorgelegt. Daraus wurde ein gemeinsames Konzept mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) aus ärztlicher Perspektive. In dem Kon­zept sind standardisierte Systeme sowie notwendigen Strukturen und Abläufe in zen­tralen Notfall-Anlaufstellen vereinbart.

bee/mn/kna

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