Bundesländer wollen Spahn bei Notfallreform unterstützen

Berlin – Die Bundesländer haben angekündigt, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bei seinem Reformvorhaben zur Notfallversorgung zu unterstützen. „Ich begrüße, dass wir über die Reformierung der Notfallversorgung diskutieren“, sagte die diesjährige Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK), die sächsische Gesundheitsministerin Barbara Klepsch (CDU), der Funke Mediengruppe.
Sie kündigte an, sich die Pläne von Spahn, die vergangene Woche an die Länder übersandt wurden, zu prüfen. Mitte August soll es ein erstes Treffen zwischen Vertretern des Bundesgesundheitsministeriums und den Ländern dazu geben. Spahn hatte gestern in Berlin zu einem Diskussionsentwurf aus seinem Haus Stellung genommen.
Die Pläne zu einer gemeinsamen Notfallversorgung in Integrierten Notfallzentren (INZ) sowie der Zusammenlegung der Rettungsdienstnummer 112 und der ärztlichen Bereitschaftsdienstnummer 116117 lehnen sich an Vorschläge aus dem Gutachten des Sachverständigenrates vom vergangenen Sommer an. Erste Eckpunkte hatte Spahn bereits vergangenen Dezember vorgestellt, jetzt sind daraus 37-Seiten-Gesetzestext geworden.
Nach Bekanntwerden der Pläne forderten Vertreter der Ärzteschaft gestern ein, dass die bestehenden Strukturen und Modellprojekte zunächst evaluiert und bestehende, gut funktionierende Zusammenarbeiten zwischen Vertragsärzten und Krankenhausärzten nicht zerstört werden sollten.
Kollateralschäden vermeiden
Kollateralschäden in der jetzt gesetzlich angestrebten Umgestaltung der Notfallversorgung gelte es zu vermeiden, appellierte Westfalen-Lippes Ärztekammerpräsident Theodor Windhorst an den Gesetzgeber. Auch angesichts endlicher Personalressourcen mahnte Windhorst gestern anlässlich eines Pressegesprächs in Münster an, durch die jetzt geplante Notfallgesetzgebung gut laufende Modellprojekte in den Regionen die Chance zur Evaluierung zu lassen und die Möglichkeit des Ausbaus dieser Projekte zu erhalten.
Das in Ostwestfalen zur Koordination von stationärer und ambulanter Versorgung in Paderborn, Höxter und Lippe für 900.000 Menschen aufgebaute Notfallprojekt einer gemeinsamen Leitstelle habe bisher positive Ergebnisse gebracht: bei circa 750 bis 800 Anrufen pro Tag würden per telefonischer Ersteinschätzung allein zwischen 20 und 30 Prozent durch die Weitervermittlung zur ambulanten Versorgung telefonisch geregelt, was die Notfallaufnahmen entlaste.
Windhorst warnte vor „übergriffigen Regelungen“ und mahnte an, die per Heilberufegesetz mit dieser Aufgabe betrauten Kammern in die weitere Diskussion einzubeziehen. Nach bisherigem Stand seien die Kammern nicht involviert. Der Kammerpräsident appellierte an Spahn, die jetzt angegangenen Modelle „erst einmal auszuprobieren“. Windhorst: „Gesundheitspolitik passiert nicht auf Knopfdruck.“ Erforderlich sei vielmehr die Einbeziehung aller Beteiligten. Es ginge nicht an, dass insbesondere die „Ärzte als die Advokaten der Patienten“ von der Politik zunehmend aus diesen Prozessen herausgenommen werden.
Auch die Kassenärztliche Vereinigung Berlin sieht mit Sorge, dass die eigenen bisherigen Bemühungen in der Hauptstadt durch die neuen Pläne kontakariert werden. „Wir sind uns einig, dass die Notfallversorgung verbessert werden muss, aber nicht auf dem Rücken der Vertragsärzte, die im Zusammenspiel mit den Krankenkassen und den Krankenhäusern seit zwei Jahren eine umfangreiche Reform der Notfallversorgung umsetzen“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der KV Berlin, Burkhard Ruppert in einer Mitteilung.
Steuern sollen die Ärzte
In Berlin gebe es beispielsweise schon eine gemeinsame Leitstelle, die zwar örtlich getrennt, aber gemeinsam Patienten in die richtige Versorgung steuert, so Ruppert weiter. „Die nächsten Projekte wie der Ausbau der Leitstelle und die Eröffnung weiterer Notdienstpraxen – Entscheidungen, die im Übrigen in enger Abstimmung mit den Kliniken getroffen werden – stehen bereits in den Startlöchern.“
Auch sollte nicht der Berliner Senat künftig dafür zuständig sein, an welchen Standorten und wie viele INZ entstehen sollen. „Wir glauben, dass medizinische Fragen von Medizinern beantwortet werden müssen, und nicht vom Senat, der sich mit Blick auf die Krankenhäuser im Übrigen in dem einen oder anderen Interessenskonflikt befindet“, so Ruppert. Das Land Berlin ist teilweise Eigentümer der betroffen Kliniken.
Für weniger Hürden Seitens des Gesetzgebers plädiert auch Susanne Johna, Bundesvorstandsmitglied des Marburger Bundes (MB). „Im Ziel sind wir uns einig: Die überfüllten Notaufnahmen in den Krankenhäusern müssen dringend entlastet werden. Wir brauchen mehr Kooperation und Integration aller Beteiligten an der Notfallversorgung.“
Sorge um Kompetenzwirrwar
Auch Johna fordert, dass bewährte Strukturen der Kooperationen zwischen Krankenhäusern und Notdiensten der KVen nicht infrage gestellt werden sollen. Zwar unterstütze der MB die Idee der INZs. „Wir haben aber Zweifel daran, dass es dafür neuer räumlich und wirtschaftlich abgegrenzter Einrichtungen wie der INZ bedarf. An Sektorengrenzen mangelt es uns im Gesundheitswesen wahrlich nicht. Neue Grenzziehungen in der Versorgung sind daher alles andere als sinnvoll“, sagte Johna.
Sie befürchtet auch, dass es zu einem „Kompetenzwirrwar“ und zu zeitlichen Verzögerungen komme, wenn die Definition für die Personalgestaltung sowie die Strukturen von INZ beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) liegen würden.
Der MB hatte bereits vor zwei Jahren Eckpunkte für eine Strukturreform der medizinischen Notfallversorgung vorgelegt. Daraus wurde ein gemeinsames Konzept mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) aus ärztlicher Perspektive. In dem Konzept sind standardisierte Systeme sowie notwendigen Strukturen und Abläufe in zentralen Notfall-Anlaufstellen vereinbart.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: