Politik

Gesetzesgrundlage für Coronamaßnahmen soll präzisiert werden

  • Dienstag, 3. November 2020
/picture alliance, Michael Kappeler
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Berlin – Der Bundestag will noch in dieser Woche über eine Änderung des Infektions­schutzgesetzes beraten, mit der Coronamaßnahmen auf eine ausreichende gesetzliche Grundlage gestellt werden sollen.

Es gehe darum, sehr allgemeine Formulierungen in dem geltenden Gesetz für die Pande­mie zu konkretisieren, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich heute in Berlin vor einer Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion. „Durch die jetzige Konkretisierung sind wir auch der Auffassung, dass es zu einer bundeseinheitlicheren Regelung kommt.“

Bundesge­sundheitsminister Jens Spahn (CDU) zufolge wird es neben der bisherigen Ge­ne­ralklausel eine Aufzählung konkreter Maßnahmen in der jetzigen Pandemie geben.

Nach Angaben von Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein (CSU) geht es konkret um 14 Punk­te – et­wa die Anordnung von Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen im öffentlichen und privaten Raum, von Abstandsgeboten und Maskenpflicht sowie Beschränkungen für Kultur- und Freizeiteinrichtungen.

Auch soll es um Entschädigungsregelungen gehen, etwa wenn Kinder in Quarantäne müssen. Zudem geht es um die Fragen, wie man Testkapazi­tä­ten erweitere und wie man möglichst schnell möglichst viele Menschen impfen könne, sobald ein Impfstoff vor­han­den sei.

Neuer Paragraf 28a

Der jetzige Paragraf 28 des Infektionsschutzgesetzes, der nur sehr lokale und zeitlich be­schränkte Maßnahmen bei Epidemien regele, solle um einen Paragrafen 28a erweitert werden, der ganz genau beschreibe, wieweit der Bundestag Bundesregierung und Länder ermächtige, erläuterte Nüßlein.

Für eine Präzisierung der Ermächtigungsgrundlagen des Infektionsschutzgesetz­es (IfSG) hatten sich auch Heribert Hirte (CDU), stellvertretender und kommissarischer Vor­sitzen­der des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, und Erwin Rüddel (CDU), Vor­sit­zen­­­der des Ausschusses für Gesundheit, stark gemacht.

Die auf Basis der Bund-Länder-Beratungen ergriffenen Maßnahmen seien zwar auch aus ihrer Sicht geeignet, erforderlich und verhältnismäßig, allerdings seien –insbesondere auch in ersten Gerichtsentscheidungen – in den vergangenen Tagen Zweifel an einer ver­fassungsrechtlich ausreichenden Legitimation dieser Schritte laut geworden.

Da inzwischen mehr Erkenntnisse über die SARS-CoV-2-Pandemie vorliegen, könne man zugleich auch dem Wesentlichkeitsgrundsatz des Grundgesetzes noch deutlicher Rechn­ung tragen. Mögliche Zweifel an der verfassungsrechtlichen Legitimation sicherheitshal­ber zu beseitigen, sei dabei ein Handeln im Sinne des Gesundheitsschutzes.

Denn sich möglicherweise sogar einander widersprechende Gerichtsentscheidungen wür­den das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat gefährden, welches gerade jetzt beson­ders wichtig sei. Angesichts einer exponentiellen Steigerung der SARS-CoV-2-Neuinfekti­onen, des Aus­bruchs lokaler Hotspots und der drohenden Überlastung einzelner Kranken­häuser sei es erforderlich, gezielt und unverzüglich zu handeln, um die Bevölkerung wirksam zu schützen.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt unterstrich, dass diese Änderungen explizit für die derzeitige Coronapandemie greifen sollen. Andere Pandemien bedürften mögli­cher­weise anderer Maßnahmen – und keine Kontaktbeschränkungen für die Bürger, er­läuterte Dobrindt.

Im Übrigen seien noch einige Details der jüngsten Beschlüsse von Bundesregierung und Ministerpräsidenten zu klären, etwa wie mit den Hilfen bei Gast­stättenschließungen zu verfahren sei. So sollte bei Schließungen in der Gastronomie aber auch in anderen Be­reichen die Er­stattung von 75 Prozent des Novemberumsatzes von 2019 möglichst un­bürokratisch und schnell erfolgen. Denkbar wären Abschlagszahlungen. Er erwarte, dass das Bundesfinanz­minis­terium diese Regelungen umgehend der Öffentlichkeit erläutere, sagte Dobrindt.

Die Union hatte die jetzt geplante Gesetzesänderung zunächst nicht für nötig gehalten. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich skeptisch geäußert. SPD- und Uni­onsfraktion haben sich dann aber doch auf eine Überarbeitung des Gesetzes geeinigt, um vor allem Grundrechtseinschränkungen besser abzusichern.

Bereits am kommenden Frei­tag solle die Gesetzesänderung im Bundestag in erster Le­sung beraten werden. „Wir können dann ganz schnell in die Anhörung gehen und in der nächsten Sitzungswo­che Mitte November auch die entsprechenden Entscheidungen treffen“, sagte Mützenich.

Richter hatten zuvor angezweifelt, dass das Infektionsschutzgesetz in seiner aktuellen Form die weitreichenden Eingriffe in Grundrechte bei der Bekämpfung der Pandemie recht­fertigt. Auch Rufe nach einer stärkeren Beteiligung des Bundestags und der Länder­parlamente an den Beschlüssen zur Bekämpfung der Pandemie hatten zuletzt zuge­nom­m­en.

Zustimmung kommt aus den Ländern. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Lin­ke) sagte, er habe seit Monaten dafür gekämpft, dass die gesetzliche Grundlage für Coro­namaßnahmen präzisiert werden. Er hatte zuletzt unter anderem dafür geworben, die Par­lamente bei Entscheidungen zur Eindämmung der Pandemie stärker mit einzubezie­hen.

dpa/afp/aha/may

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