Gesundheitsberufe wehren sich gegen neue Prüfbürokratie
Berlin/Brüssel – Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten und Apotheker protestieren mit einer gemeinsamen Stellungnahme gegen Einmischungen aus Brüssel in ihre Selbstverwaltung. „Es ist das altbekannte Spiel: Die Europäische Kommission versucht einmal mehr, die gesundheitspolitischen Kompetenzen ihrer Mitgliedstaaten zu beschneiden. Dabei regelt der Vertrag von Lissabon eindeutig, dass über die Gesundheitspolitik auf nationaler Ebene entschieden wird“, hatte der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK) Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery schon im Februar betont.
Darum geht es: Mitte Januar hat die EU-Kommission ein Dienstleistungspaket vorgestellt und darin auch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung gefordert. Die Mitgliedstaaten sollen dazu verpflichtet werden, neue oder zu ändernde Berufsvorschriften schon im Vorfeld darauf zu prüfen, ob sie aus Binnenmarktperspektive gerechtfertigt, notwendig und verhältnismäßig sind.
Verhältnismäßigkeitsprüfung nötig
In ihrer neuen Stellungnahme zählen Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und weitere Organisationen jetzt auf, warum die Gesundheitsberufe von der Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen ausgenommen werden sollten: Wichtig ist zunächst, dass die neuen Brüsseler Pläne die grenzüberschreitende Mobilität von Angehörigen der Gesundheitsberufe nicht verbessern würden, da dies bereits durch die Berufsanerkennungsrichtlinie gewährleistet werde.
„Durch die in der Richtlinie vorgesehene automatische Anerkennung der Qualifikationen konnte vor allem bei den Gesundheitsberufen eine sehr hohe grenzüberschreitende Mobilität erreicht werden“, heißt es in der Stellungnahme von BÄK, KBV und den übrigen Organisationen. Sie betonen: „Die Gesundheitsberufe besitzen also in der Berufsanerkennungsrichtlinie einen besonderen Status, der ihr hohes grenzüberschreitendes Mobilitätsniveau sichert. Der jetzige Richtlinienvorschlag für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung bietet demgegenüber keinen Vorteil bei der Anerkennung von Qualifikationen.“
BÄK, KBV und Co. kritisieren weiterhin, dass der Richtlinienvorschlag weit über die Berufsanerkennungsrichtlinie hinausgehe. Er betreffe auch Berufsordnungen, besondere Anforderungen an die Rechtsform, geografische oder demografische Vorgaben für die Niederlassung, Sprachprüfungen, Pflichten für die Fort- und Weiterbildung und anderes. Dies alles sei eher Gegenstand der Dienstleistungsrichtlinie, „deren Geltungsbereich aber Gesundheitsberufe aus guten Gründen nicht erfasst“, so die Organisationen. Der Richtlinienvorschlag gefährde daher die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Organisation ihres Gesundheitswesens, warnen sie.
„Die Verwaltung des Gesundheitssystems und der medizinischen Versorgung sowie die Zuweisung der dafür bereitgestellten finanziellen Mittel liegt in der Verantwortung der Mitgliedstaaten“, betonen die Gesundheitsorganisationen. Die Nationalstaaten entschieden darüber, welches Schutzniveau sie bei der Regulierung von Gesundheitsberufen für angemessen hielten. Was in einem bestimmten Mitgliedstaat als unverhältnismäßig angesehen werde, könnte in einem anderen für unbedingt erforderlich gehalten werden.
Die angestrebten Verhältnismäßigkeitsprüfungen seien außerdem ein zeitaufwendiges und kostenintensives Verfahren. „Es erlegt den zuständigen nationalen Stellen eine große bürokratische Last auf und kann zu erheblich verzögerten Rechtssetzungsverfahren führen. Gleichzeitig ist kein Zusatznutzen für die Mitgliedstaaten erkennbar“, kritisieren die Verbände.
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