Ärzteschaft

Gesundheitsberufe wehren sich gegen neue Prüfbürokratie

  • Freitag, 1. September 2017

Berlin/Brüssel – Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten und Apotheker protestieren mit einer gemeinsamen Stellungnahme gegen Einmischungen aus Brüssel in ihre Selbst­verwaltung. „Es ist das altbe­kannte Spiel: Die Europäische Kommission versucht einmal mehr, die gesundheits­politi­schen Kompetenzen ihrer Mitgliedstaaten zu beschneiden. Dabei regelt der Vertrag von Lissabon eindeutig, dass über die Gesundheitspolitik auf nationaler Ebene ent­schieden wird“, hatte der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK) Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery schon im Februar betont.

Darum geht es: Mitte Januar hat die EU-Kommission ein Dienst­leis­tungs­paket vorgestellt und darin auch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung gefordert. Die Mitgliedstaaten sollen dazu verpflichtet werden, neue oder zu ändernde Berufsvor­schriften schon im Vorfeld darauf zu prüfen, ob sie aus Binnenmarkt­perspek­tive gerecht­fertigt, notwendig und verhältnismäßig sind.

Verhältnismäßigkeits­prüfung nötig

In ihrer neuen Stellungnahme zählen Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und weitere Organisationen jetzt auf, warum die Gesundheitsberufe von der Verhältnismäßigkeits­prüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen ausgenommen werden sollten: Wichtig ist zunächst, dass die neuen Brüsseler Pläne die grenzüberschreitende Mobili­tät von Angehörigen der Gesundheitsberufe nicht verbessern würden, da dies bereits durch die Berufsanerkennungsrichtlinie gewährleistet werde.

„Durch die in der Richtlinie vorgesehene automatische Anerkennung der Qualifikatio­nen konnte vor allem bei den Gesundheitsberufen eine sehr hohe grenzüberschrei­tende Mobilität erreicht werden“, heißt es in der Stellungnahme von BÄK, KBV und den übrigen Organisationen. Sie betonen: „Die Gesundheitsberufe besitzen also in der Berufsanerkennungsrichtlinie einen besonderen Status, der ihr hohes grenzüberschrei­tendes Mobilitätsniveau sichert. Der jetzige Richtlinienvorschlag für eine Verhältnis­mäßigkeitsprüfung bietet demgegenüber keinen Vorteil bei der Anerkennung von Qualifikationen.“

BÄK, KBV und Co. kritisieren weiterhin, dass der Richtlinienvorschlag weit über die Berufsanerkennungsrichtlinie hinausgehe. Er betreffe auch Berufsordnungen, beson­dere Anforderungen an die Rechtsform, geografische oder demografische Vorgaben für die Niederlassung, Sprachprüfungen, Pflichten für die Fort- und Weiterbildung und anderes. Dies alles sei eher Gegenstand der Dienstleistungsrichtlinie, „deren Geltungs­bereich aber Gesundheitsberufe aus guten Gründen nicht erfasst“, so die Organisatio­nen. Der Richtlinienvorschlag gefährde daher die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Organisation ihres Gesundheitswesens, warnen sie.

„Die Verwaltung des Gesundheitssystems und der medizinischen Versorgung sowie die Zuweisung der dafür bereitgestellten finanziellen Mittel liegt in der Verantwortung der Mitgliedstaaten“, betonen die Gesundheitsorganisationen. Die Nationalstaaten ent­schieden darüber, welches Schutzniveau sie bei der Regulierung von Gesundheits­berufen für angemessen hielten. Was in einem bestimmten Mitgliedstaat als unverhält­nismäßig angesehen werde, könnte in einem anderen für unbedingt erforderlich gehalten werden.

Die angestrebten Verhältnismäßigkeitsprüfungen seien außerdem ein zeitaufwendiges und kostenintensives Verfahren. „Es erlegt den zuständigen nationalen Stellen eine große bürokratische Last auf und kann zu erheblich verzögerten Rechtssetzungsverfah­ren führen. Gleichzeitig ist kein Zusatznutzen für die Mitgliedstaaten erkennbar“, kritisieren die Verbände.

hil

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