Ärzteschaft

Gewalt gegen Ärzte: Austausch im Bundesjustizministerium

  • Mittwoch, 21. August 2024
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP, links) und KBV-Chef Andreas Gassen. /picture alliance, Britta Pedersen (li.) /picture alliance, Flashpic, Jens Krick (re.)
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP, links) und KBV-Chef Andreas Gassen. /picture alliance, Britta Pedersen (li.) /picture alliance, Flashpic, Jens Krick (re.)

Berlin – Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) drängt darauf, bei einer Strafrechtsreform zum besse­ren Schutz vor Anfeindungen und Gewalt etwa von Rettungskräften und in Notaufnahmen auch Arztpraxen explizit zu erwähnen. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und KBV-Chef Andreas Gassen tauschten sich dazu gestern in Berlin aus.

Buschmann hatte zuletzt angekündigt, die Forderung der KBV überprüfen zu wollen und mit Gassen dazu in den Austausch zu gehen. Hintergrund sind zunehmende verbale und körperliche Gewalt auch gegen Men­schen, die im Gesundheitswesen arbeiten. Das gilt etwa für Rettungskräfte, Notärzte, in Notaufnahmen und auch Arztpraxen.

Die Reform aus dem Bundesjustizministerium (BMJ) sieht vor, die Regelungen zur Strafzumessung (Paragraf 46 Absatz 2 Satz 2 StGB) zu ergän­zen. Dabei sollen künftig Taten einbezogen werden, die geeignet sind, „eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen“.

Von einer dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeit soll damit dem Ministerium zufolge zum einen die ehren­amtliche Tätigkeit erfasst werden. Dazu gehören zum Beispiel Tätigkeiten in der Kinder- und Ju­gendarbeit oder in der Flüchtlingshilfe, das sicherheitsrelevante Ehrenamt – Feuerwehren, Katastro­phenschutz, Rettungsdienst –, kommunale Mandatsträger, Vereinsarbeit oder parteipolitisches Enga­gement.

Zum anderen sollen auch berufliche Tätigkeiten erfasst werden, die dem Gemeinwohl dienen. Dazu gehören unter anderem Ärzte, Berufsfeuerwehr- und Berufsrettungskräfte, aber auch Polizei- und Voll­streckungskräfte, Journalisten und Berufspolitiker.

Zudem soll Paragraf 113 Abs. 2 StGB dahingehend ergänzt werden, dass ein besonders schwerer Fall in der Regel auch dann vorliegt, wenn es sich um einen hinterlistigen Überfall handelt. In solchen be­son­ders straf­würdigen Fällen soll künftig unabhängig vom Vorliegen anderer Regelbeispiele regelmä­ßig der erhöhte Straf­rahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe Anwendung finden, schreibt das Ministerium im bisherigen Referentenentwurf.

Aufgrund der Verweise in Paragraf 115 StGB komme „der verstärkte Schutz auch dem von dieser Vor­schrift erfassten Personenkreis wie etwa Hilfeleistenden der Feuerwehr oder eines Rettungsdienstes zugute“, heißt es weiter.

Angriffe auf Feuerwehr, Katastrophenschutz, Rettungsdienst, ärztlichen Not­dienst oder in einer Notauf­nahme seien „nicht hinnehmbar und müssten konsequent strafrechtlich verfolgt werden“, so das Ministerium. Das BMJ betont, die geplanten Änderungen dienten der „Klarstellung und Be­kräftigung der geltenden Rechts­lage“. Gerichte und Ermittlungsbehörden sollten sensibilisiert werden.

Die KBV monierte bereits Ende Juli, dass die geplante Gesetzesänderung nur einen besseren Schutz für den ärztlichen Notdienst oder die Notaufnahme gewährleiste, die bei Un­glücksfällen, gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisteten. „Für Vertragsärztinnen und Vertragsärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und deren Praxisteams ergibt sich aus den geplanten Gesetzesänderung kein größerer Schutz“, so die KBV.

Einigung auf wissenschaftliche Bestandsaufnahme

Ob das Treffen zwischen Gassen und Buschmann zu Änderungen der Reformpläne führt, ist offen. Bundes­justiz­ministe­rium und KBV teilten heute auf Anfrage von gestern gleichlautend mit, man sei sich einig, dass es besonders wichtig sei, dass „niedergelassene Ärzte bei solchen Gewalterfahrungen der konsequenten Hand­lungs- und Durchset­zungsfähigkeit staatlicher Vollzugsorgane vertrauen“ könnten.

„Ein wichtiger Aspekt ist es dabei, dass die Strafverfolgungsbehörden bundesweit gleich agieren, wenn sei­tens der Praxen Fälle von erfahrener oder angedrohter Gewalt zur Anzeige gebracht werden. Hierbei bedarf es einer evidenten Faktengrundlage zur Strafverfolgungspraxis“, sagte eine BMJ-Sprecherin dem Deutschen Ärzteblatt.

Bei dem Gespräch sei gestern vereinbart worden, das „Phänomen näher zu untersuchen“. Dazu soll die KBV eine wis­senschaftliche Um­frage in den Praxen starten. Die Ergebnisse sollen dann die Grundlage für Beratun­gen des Bun­desjustizministers mit seinen Kolleginnen und Kollegen der Bundesländer bilden. Ziel sei ein ein­heitliches Vorgehen, um Pra­xen wirkungsvoll zu schützen. Die Umfrage muss nun von der KBV entwickelt und aufgesetzt werden.

Bereits vor einigen Tagen hatte die KBV eine Online-Befragung zum Thema Gewalt in Praxen gestartet, die bis zum 2. September laufen soll. Ärzte, Psychotherapeuten und Praxismitarbeitende sind aufgerufen, ihre Erfah­rungen mitzuteilen. Bislang haben sich einige Tausend Praxen beteiligt, wie das Deutsche Ärzteblatt erfuhr.

Mit dieser Befragung will die KBV herausfinden, wie häufig Praxen von Anfeindungen und Gewalt betroffen sind. Dabei geht es sowohl um verbale als auch um körperliche Gewalt wie Schläge, Tritte, Spucken oder Kratzen sowie die Bedrohung mit Waffen oder anderen Gegenständen.

Die KV Bremen hatte kürzlich die Ergebnisse einer Umfrage unter Niedergelassenen bekannt gemacht und Auszüge daraus veröffentlicht. Offizielle Zahlen zu den Übergriffen gibt es nicht.

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