Ärzteschaft

Gassen beklagt zunehmende Gewalt in Praxen

  • Dienstag, 13. August 2024
/Racle Fotodesign, stock.adobe.com
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Berlin – Nicht nur in Kliniken, auch in Arztpraxen ist Gewalt zunehmend ein Thema. Darauf hat der Vorstands­vor­sitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, hingewiesen.

„Offene Aggression und ein extrem forderndes Verhalten haben deutlich zugenommen. Nicht nur in Notauf­nahmen, auch bei den Niedergelassenen eskaliert die Lage immer öfter“, sagte der KBV-Chef der Neuen Osnabrücker Zeitung. Dabei gehe es sowohl um Beleidigungen als auch körperliche Gewalt.

„Ich hatte selbst schon einen Patienten, der eine Tür kaputt getreten hat“, sagte Gassen. Die Regel sei das nicht – die Probleme gingen auf eine „kleine, leider aber größer werdende Klientel“ zurück.

„Dass sich Patienten nicht benehmen können und eine schräge Einschätzung der eigenen Behandlungs­dringlichkeit haben, ist ein Nationen-übergreifendes Phänomen. Was sich allerdings auch häuft: Da ist einer krank, und sechs Leute kommen als Begleitung mit in die Praxis oder die Notaufnahme und machen Radau. Das ist bemerkenswert und extrem unangenehm.“

Gassen forderte deutliche Strafen: „Es braucht in solchen Fällen deutliche und schnelle Strafen. Sonst kommt die Botschaft bei einigen Menschen nicht an.“ Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) will mit einer leichten Korrektur des Strafrechts unter anderem Rettungskräfte besser vor Anfeindungen und Gewalt schützen.

Die – noch nicht beschlossene – Anpassung müssten aber noch auf die Arztpraxen ausgeweitet werden, forderte der KBV-Chef erneut. „Es ist überfällig, das Strafgesetz an der Stelle zu verschärfen. Auch Praxen müssen sich nicht alles bieten lassen.“

„Die zunehmende Gewalt in Krankenhäusern und auch in Arztpraxen zeigt eine beunruhigende Entwicklung auf und bringt Unsicherheit und Angst in die Gesundheitsversorgung“, betonte heute auch der Präsident der Landesärztekammer Brandenburg (LÄKB), Frank-Ullrich Schulz.

Die geplanten gesetzlichen Änderungen seien ein erster Schritt, um dem Personal, das sich täglich im am­bulanten und stationären Bereich für das Gemeinwohl einsetze, besseren Schutz zu gewährleisten. Uner­lässlich sei jedoch neben einer Anpassung des Gesetzes eine konsequente Strafverfolgung und Aufklärung der Angriffe.

Schulz​ verurteilte auch die zunehmende Gewalt in Krankenhäusern und in der Ambulanz in Brandenburg. Die Zahl der „gefährlichen“ und „schweren“ Körperverletzungen in Kran­ken­häusern stieg zwischen 2020 und 2023 von 15 auf 24, insgesamt wurden 2023 125 Körperverletzungen erfasst. Dies gehe aus aktuellen Zahlen des Gesundheitsministeriums hervor.

Die Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) hatte im Mai eine Umfrage unter ihren Mitgliedern zu deren Erfahrun­gen mit Gewalt im ärztlichen Alltag veröffentlicht. Innerhalb nur weniger Tage meldeten sich demnach 4.513 Ärztinnen und Ärzte – rund zehn Prozent der Kammermitglieder – zurück.

Mehr als die Hälfte (2.917) davon hätten auf die Frage: „Haben Sie in der Vergangenheit in ihrem ärztlichen Alltag Gewalt erfahren müssen?“ mit „Ja“ geantwortet. 1.339 Fälle seien dabei allein in Arztpraxen gemeldet worden. Der Präsident der ÄKWL, Hans-Albert Gehle, sprach von einer spürbaren und dauerhaften Zunahme von Gewaltereignissen und massiver Belastung der Betroffenen.

Zuletzt hatte auch die KV Bremen eine Reihe von Erfahrungen von Niedergelassenen mit Gewalt in ihren Praxen nach einer Umfrage ver­öffentlicht.

Die Bundesärztekammer unterstützt das Vorhaben des Justizministers. Straftaten gegen diese Berufsgruppen müssten aber nicht nur schärfer bestraft, sondern auch effektiv verfolgt und aufgeklärt werden, forderte die Kammer in einer jüngst veröffentlichten Stellungnahme zum Referentenentwurf.

„Wir brauchen dringend Aufklärungskampagnen, die deutlich machen, dass diese Menschen Retter und Helfer sind“, hieß es auf Anfrage. Auch der Verband der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sprach sich für die angekündigte Strafverschärfung aus.

Um Fälle zu melden, hätten einige Ärztekammern für Betroffene bereits eine spezielle Meldeadresse einge­richtet, es gebe auch Fortbildungen zum Thema. Die Landesärztekammer Hessen etwa habe einen Meldebo­gen eingeführt.

„Die aktuellen Ergebnisse des Meldebogens verdeutlichen, dass dringlichster Bedarf in der Ärzteschaft sowie bei den Medizinischen Fachangestellten besteht, dem Gefühl von Hilflosigkeit und Ohnmacht durch zum Beispiel Deeskalations-Seminare entgegenzuwirken“, hieß es auf der Website.

dpa/may

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