Globale Gesundheit: Finanzierung als Investition statt Kosten betrachten

Berlin – Gesundheit muss stärker priorisiert, nachhaltiger finanziert sowie ressortübergreifender und globaler gedacht werden. Das fordern internationale Expertinnen und Experten aus dem Wissenschafts-, Wirtschafts- und Gesundheitsbereich in einem aktuellen Policy Brief des Netzwerks „Global Health Hub Germany“.
Die COVID-19-Pandemie habe gezeigt, dass die Gesundheitssysteme sowohl auf der Gemeinde- als auch auf globaler Ebene deutlich unterfinanziert seien, heißt es in der Begründung des Papiers. Weitere Krisen, insbesondere die Klimakrise, würden aber zeigen, dass insbesondere resiliente und funktionsfähige Gesundheitssysteme benötigt werden.
In dem Papier fordern die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die deutsche Bundesregierung mit konkreten Handlungsempfehlungen dazu auf, den globalen Gesundheitsbereich fairer und besser zu gestalten. Deutschland sei bereits einer der größten Geldgeber im Bereich globale Gesundheit und könne deswegen als „ehrlicher Vermittler“ fungieren.
So sollte die Finanzierung von globaler Gesundheit eher als Investition und nicht als Kostenfaktor betrachtet werden. „Gesundheit ist eine der wichtigsten Investitionen für die Wirtschaft und Gesellschaft, indem sie gesündere, produktivere und glücklichere Menschen hervorbringt, was langfristig positive Auswirkungen für alle hat“, erklärte die Professorin für Wirtschaftswissenschaften, Jayati Ghosh von der University of Massachusetts Amherst und Mitglied des WHO Council on the Economics of Health for All.
„Das bedeutet, dass wir unser Verständnis von Gesundheit ändern und unsere Wirtschaftssysteme neu organisieren müssen“, betonte Ghosh. Ghosh hat die Forderungen des Policy Briefs gemeinsam mit vier anderen Kolleginnen und Kollegen aus Wissenschaft und Wirtschaft aufgestellt.
Um dieses Ziel stärker zu erreichen, sollten Regierungen sowie Partnerschaften und multilaterale Organisationen darüber nachdenken, wie Gesundheits- und auch Wirtschaftssysteme organisiert seien. Sobald Gesundheitsausgaben verstärkt als Investition angesehen werden, würde dieser Bereich auch innerhalb eines Landes auf der Prioritätenliste nach oben klettern. Entsprechende Investitionskonzepte sollten zudem ressortübergreifend von allen Regierungsmitgliedern entwickelt werden, heißt es in dem Papier. Insbesondere Regierungschefinnen und -chefs sollten in die politische Entscheidungsfindung stärker einbezogen werden.
Auf der anderen Seite führe die Senkung von Gesundheitsausgaben langfristig zu einer niedrigeren Krisenresilienz, geringerne Produktivitätskapazitäten und dazu, dass weniger Frauen arbeiten können sowie zu höheren Ausgaben für das Gesundheitssystem.
Zweckgebundene Gesundheitssteuern könnten Lösung sein
Eine weitere Möglichkeit, den Bereich Gesundheit zu stärken, seien Änderungen an Steuersystemen, so dass diese weltweit als auch auf der nationalen Ebene verstärkt Ressourcen für Gesundheit generieren könnten.
Ein effektives Instrument könne die schrittweise Besteuerung darstellen, um Ungleichheiten zu adressieren, heißt es in dem Policy Brief. Dabei werden drei Möglichkeiten genannt. Einerseits könnten Steuersystem durch eine effektivere Besteuerung oder in dem etwa die Bemessungsgrundlage weiter ausgelegt und mehr Steuerzahler erfasst, reformiert werden.
Zweitens könnte die Einführung von internationalen Mindestsätzen bei Körperschaftssteuern eine Lösung sein, um die Länder zu ermutigen ihre Sätze anzuheben und die Steuersätze zu verstärken. Dieses Vorgehen habe zudem die unabhängige Kommission für die Reform der Unternehmensbesteuerung (ICRICT) vorgeschlagen.
Drittens könnten auch neue, sogenannte zweckgebundene Gesundheitssteuern eingeführt werden. Hier wären Abgaben oder Steuern beispielsweise auf zuckerhaltige Getränke, Alkohol oder Tabak denkbar. Die Erträge sollten dem Gesundheitsbereich zur Verfügung gestellt werden.
Eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Regierungen und dem Privatsektor ist außerdem notwendig. Es brauche stabilere Konditionen für Investitionen privater Unternehmen im Gesundheitsbereich. Das betreffe sowohl die Forschung und Entwicklung als auch die Herstellung und den Vertrieb sowie die Bereitstellung etwa von Arzneimitteln, Medizinprodukten oder auch Diagnosen und Therapien.
Der Policy Brief entstand nach vier Impulsdialogen von Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Entwicklungskooperationen, Think Tank, dem privaten Sektor sowie multilateralen Organisationen zu unterschiedlichen Themen. Aus den Treffen entstanden vier Policy Briefs. Neben dem aktuellen Papier zu Globaler Gesundheitsfinanzierung auch jeweils eines zu globaler Gesundheitsarchitektur, Klima und Gesundheit sowie Digital Health Governance.
Die Policy Briefs werden im Auftrag des Bundesgesundheitsministerium (BMG) und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) erstellt.
Der Global Health Hub Germany ist seit 2019 bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) angesiedelt und will verschiedene Akteurinnen und Akteure im Bereich der globalen Gesundheit zusammenbringen.
Das unabhängige Netzwerk vernetzt dabei acht verschiedene Akteursgruppen: Internationale Organisationen, Jugend, Politik, Stiftungen, Think Tanks, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft.
Heute und morgen treffen sich zudem in Berlin verschiedene Akteure aus dem globalen Gesundheitsbereich zum Global Health Talk 2023.
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