Globale Gesundheit muss koordinierter und zielgerichteter organisiert werden

Berlin – Prozesse im Bereich der globalen Gesundheit müssten besser abgestimmt und koordiniert werden. Das forderte die Politikwissenschaftlerin und Global Health-Expertin Ilona Kickbusch gestern beim Global Health Talk.
„Dieses Jahr passiert alles überall gleichzeitig im Bereich globale Gesundheit“, kritisierte die Gründerin des Global Health Centre am Graduate Institute of International and Development Studies in Genf. Insbesondere der Fokus auf die ärmsten Bevölkerungsgruppen sei in den vergangenen Jahren verloren gegangen.
Länder und Institutionen brüsteten sich oft damit, einen neuen Fonds zu eröffnen oder ein neues Gremium oder eine neue Plattform zu schaffen, ohne zu wissen, wie diese nachhaltig zu einer besseren globalen Gesundheit beitragen könnten, betonte Kickbusch.
Zudem trage der verstärkte Wettbewerb zwischen Ländern und insbesondere in der Wirtschaft und Pharmaindustrie dazu bei, dass es vor allem darum geht, Geld zu verdienen. Die Wirtschaftsformen und Gesellschaften müssten aber umorganisiert werden, betonte Kickbusch. Wie genau dies aussehen könnte, ließ sie hingegen offen.
Auch die Wirtschaftsprofessorin Mariana Mazzucato vom University College London (UCL) kritisierte, dass in diesem Bereich nicht zielgerichteter gearbeitet werde. Es brauche dringend eine koordinierte Strategie sowie eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen privaten und öffentlichen Akteuren, auch um immense Profite der Pharmaindustrie in Zukunft zu vermeiden. Sie spielte damit auf die Coronapandemie an, in der viele Impfstoffhersteller Milliarden verdient hatten.
Eine wichtige Rolle im Bereich globale Gesundheit haben Kickbusch zufolge außerdem die Parlamentarier einzelner Staaten anstelle der jeweiligen Regierungschefinnen und -chefs. Die Abgeordneten sollten beispielsweise zu Themen wie einer flächendeckenden allgemeinen Gesundheitsversorgung (Universal Health Coverage, UHC) verstärkt einbezogen werden, so Kickbusch.
Der Bundestagsabgeordnete Andrew Ullmann (FDP) betonte gestern in einer Diskussionsrunde, dass die Macht von Parlamentariern oftmals unterschätzt werde. In Deutschland gebe es beispielsweise seit sechs Jahren den Unterausschuss Globale Gesundheit des Gesundheitsausschusses im Bundestag. Dieser sei in den vergangenen Jahren gestärkt und vergrößert worden und bringe nun auf regelmäßiger Basis wichtige Themen ein. Zuletzt beschäftigte sich der Ausschuss beispielsweise zu vernachlässigten Tropenkrankheiten oder multiresistenter Tuberkulose.
Dass das Thema globale Gesundheit seit einigen Jahren im deutschen Parlament behandelt werde, begrüßte Kickbusch. Zudem gebe es durch den Global Health Hub, der die Veranstaltung gestern organisierte, ein Netzwerk, das auch die akademische Welt anziehe. Letztere könnte aber noch weiter ausgebaut werden, so Kickbusch. Wichtig sei, dass globale Gesundheit sowohl außerhalb der Regierung und des Parlaments als auch direkt in der Politik beraten und weiterentwickelt werde, so Kickbusch.
Finanzierung der WHO stärken
Die Bundestagsabgeordnete Tina Rudolph (SPD) ergänzte, die Parlamentarier im deutschen Bundestag hätten zudem kürzlich darauf gepocht, die Finanzierung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu stärken. Konkret sollten die Pflichtbeiträge der Mitgliedstaaten steigen, so dass die WHO ihre Arbeit künftig besser gestalten könne. Einen entsprechenden Antrag hat der Bundestag kürzlich verabschiedet.
„Wir wollen, dass die globale Gesundheitsarchitektur durch die WHO vorhersehbarer und zuverlässiger wird“, betonte Rudolph. Dass die Finanzierung der WHO in den vergangenen Jahren nicht entsprechend gesichert war, sei mit einer der Gründe gewesen, warum die globalen Herausforderungen der Coronapandemie nicht in einer angemessenen Zeit gelöst werden konnten, so Rudolph.
Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) war beim gestrigen Global Health Talk zu Gast und betonte ebenfalls die Notwendigkeit einer besseren Finanzierung der WHO. Deutschland werde seine Pflichtbeiträge für die WHO für die Jahre 2024-2025 um zwanzig Prozent anheben, so Lauterbach. „Die WHO benötigt einen höheren Anteil von Pflichtbeiträgen, um ihre Rolle besser auszufüllen“, betonte der Minister.
Universal Health Coverage auch als präventives Mittel
Um künftig besser gegen neue Pandemien gewappnet zu sein, braucht es weltweit zudem eine flächendeckende allgemeine Gesundheitsversorgung (UHC), so der Minister weiter. Diese sei das beste Mittel, um Länder resilienter hinsichtlich künftiger Krisen und Pandemien zu gestalten.
Er kritisierte, dass rund die Hälfte der Bevölkerung weltweit nicht durch eine solche Gesundheitsversicherung versorgt sei. Unter anderem deswegen sei es wichtig, die WHO zu stärken, damit die Gesundheitsorganisation entsprechende Länder besser unterstützen könne.
Unter anderem zu diesem Thema treffen sich im September zudem sogenannte „High-Level-Meetings“, also Regierungsmitglieder von Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen (United Nations, UN) in New York. Thema werde neben UHC auch der Kampf gegen Tuberkulose sowie eine bessere Pandemievorbereitung sein, erklärte Lauterbach. Er werde an den Beratungen teilnehmen, kündigte er an.
Darüber hinaus werde auf globaler Ebene an einem internationalen Pandemievertrag gemeinsam mit der WHO und anderen Institutionen gearbeitet. Dieser solle eine bessere Vorbereitung von künftigen Pandemien ermöglichen, so Lauterbach. Entsprechende Fachkräfte sollen damit beispielsweise schneller bereitgestellt und entsandt werden können. Zudem soll damit ein Pandemiefonds etabliert werden, um ärmere Staaten im Pandemiefall besser unterstützen zu können.
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