Vermischtes

Gramm statt Prozent: Mediziner fordert neue Alkoholangaben

  • Freitag, 30. Dezember 2016
Uploaded: 30.07.2015 09:43:54 by mis
/dpa

Rostock – Rund um die Feiertage sind viele Menschen in Deutschland mit dem Auto un­terwegs. Und für viele gehört auch das ein oder andere Glas Wein oder Bier dazu. Doch wer weiß schon, wie viel er trinken darf, ohne nicht mehr fahrtüchtig zu sein? Der Not­fall­me­diziner der Universitätsmedizin Rostock, Gernot Rücker, glaubt, dass die meisten Men­schen dies nicht einschätzen können. Er fordert eine Vereinfachung der Angaben auf Alkoholprodukten, um die Rechnung selbst aufmachen zu können.

Ein Blick in Rückers „Gramm-Tabelle“ zeigt, dass zwei Flaschen Bier à 0,5 Liter bei einem Zwei-Zen­tner-Mann zu mehr als 0,5 Promille führen. Zwei Gläser Rotwein mit zwölf Volu­men­­­­­prozent bringen eine Frau von 60 Kilogramm Körpergewicht auf einen Wert von rund einem Promille, nahe der absoluten Fahruntüchtigkeit. Dass die Rech­nung so einfach geht, liegt an Rückers Wissen um die Alkoholmenge pro Flasche. Deswegen fordert er, dass künftig Gramm und Volumenprozent angegeben werden. Die dazugehörigen Ta­bellen­werte seien leicht einzuprägen und blieben konstant.

Seine Argumentation zur neuen Kennzeichnung klingt einleuchtend: Bei jedem Stoff in der Biologie oder bei Lebensmitteln wird die Wirkmenge, also die Grammzahl angege­ben. Im Blick hat Rücker besonders die Jugendlichen, genau die müssten wissen, was sie sich antun. „Und das geht mit Grammangabe und dem Wissen um die Tabellen­werte. In der Kneipe sitzen und einen Dreisatz mit einer Unbekannten ausrechnen, ist doch unlogisch.“

„Ich habe viel Sympathie für alles, was dem Verbraucher einen maßvollen Umgang mit Alkohol leichter macht“, sagte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, zu Rückers Forderung. Doch angesichts der Zahl von fast zehn Millionen Men­schen, die mehr Alkohol trinken als ihrer Gesundheit guttut, zeigt sie sich eher skeptisch. Denn ob die Kennzeichnung wirklich einen Mehrwert bringt, hängt ihrer Meinung nach von weiteren Zusatzinformationen wie Geschlecht oder Körpergewicht auf der Ver­packung ab.

Der Bundesverband der Deutschen Spirituosen-Industrie verweist auf die Angaben, die die Hersteller auf die Etiketten drucken müssen. Alle anderen für den Endverbraucher interessanten Informationen seien auf der Webseite „massvoll-geniessen.de“ zu finden. „Wir gehen davon aus, dass sich die Konsumenten auch Off-Label umfassend informie­ren“, betonte Geschäftsführerin Angelika Wiesgen-Pick.

Das wird nicht ausreichen, sagt Rücker. Denn jeder Deutsche trinkt nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung knapp zehn Liter Alkohol, in gängige Al­koholika wie Bier oder Wein übersetzt fast eine Badewanne voll. „Wir sind eine ,Heavy-Drinking-Nation’.“ Die Menschen hätten verlernt, das Genussmittel Alkohol vom Rausch­mittel zu unterscheiden. Die Folgen seien immens: Rücker verweist auf Berechnungen, dass der Staat über die Alkoholsteuer jedes Jahr rund drei Milliarden Euro einnimmt, aber mit 27 Milliarden Euro an Ausgaben etwa für Folgebehandlungen und andere Schäden rechnen muss.

Rücker zufolge sterben jedes Jahr rund 70.000 Menschen an den Folgen des Alkohol­konsums, 5.000 an akuter Alko­hol­vergiftung. Und fast ein Drittel aller Straftaten und der Großteil der Vergewalti­gun­gen geschehen unter Alkoholeinfluss, so Rücker. 2015 hätten deutsche Gerichte zudem knapp 50.000 Führerscheine nach Promillefahrten entzogen.

dpa

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