Gröhe will organisierte Sterbehilfe generell verbieten

Berlin – Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat sich für ein Verbot jeglicher Form von organisierter Sterbehilfe ausgesprochen. „Wir sehen schon heute, dass ein Verbot kommerzieller Anbieter durch spendenfinanzierte vereinsmäßige Angebote umgangen werden kann“, sagte Gröhe dem Berliner Tagesspiegel am Sonntag. Dies könne durch ein generelles Verbot organisierter Sterbehilfe in der geplanten gesetzlichen Neuregelung verhindert werden.
Er finde es „bedenklich, wenn organisierte Hilfe zur Selbsttötung als Alternative zu einer medizinischen Behandlung beworben wird“, sagte Gröhe. Er wolle sich kein Urteil über Menschen anmaßen, die in schwerster Not eine solche Entscheidung träfen, beteuerte er. „Wir sollten uns aber auch hüten, Selbsttötung zu einem Akt wahrer Freiheit zu verklären.“
Aus der Opposition kam Kritik an Gröhes Überlegungen. „Es ist ein Fehler, die Diskussion um Sterbehilfe auf das Strafrecht zu konzentrieren“, erklärte der Grünen-Abgeordnete Volker Beck in Berlin. Persönlich sei er zwar dafür, über ein Verbot der organisierten Sterbehilfe nachzudenken. „Wir müssen aber auch die Würde und die Qualität des Lebens im Sterben stärker in den Blick nehmen“, forderte er.
Ausbau der Palliativmedizin wichtig
Der „Wunsch nach Abkürzung des Sterbeprozesses“ entstehe auch, „weil die Rahmenbedingungen von vielen Menschen als würdelos erlebt werden“, argumentierte Beck. „Viele Menschen wollen nicht ihr Leben an Apparate angeschlossen in einem Krankenhaus beenden.“ In der häuslichen Palliativversorgung gebe es viele Schwierigkeiten.
Hier räumte auch Gröhe Mängel ein: Der Minister forderte einen Ausbau der Palliativmedizin. Im ländlichen Raum gebe es noch „weiße Flecken“ bei der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung, sagte er dem Tagesspiegel am Sonntag.
CDU-Politiker verteidigen Nikolaus Schneider
Verständnis für den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, zeigten einige CDU-Politiker. Schneider hatte angekündigt, aus Liebe notfalls seine krebskranke Frau Anne in die Schweiz zu begleiten, wenn diese dort aktive Sterbehilfe in Anspruch nehmen wolle, auch wenn dies gegen seine eigentliche Überzeugung sei.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe und der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach (alle CDU) äußerten Hochachtung und großen Respekt vor der Haltung von Nikolaus und Anne Schneider. Schäuble sagte der Bild am Sonntag, es gehe „um Barmherzigkeit. Ich wünsche beiden viel Kraft.“
Gröhe zollte dem EKD-Ratsvorsitzenden im Tagesspiegel am Sonntag seinen „großen Respekt“ für diese persönliche und schwierige Entscheidung: „Nikolaus Schneider und ich teilen die Position, dass wir organisierte Sterbehilfe ablehnen. Gleichzeitig habe ich großen Respekt davor, wenn Nikolaus Schneider sagt, dass für ihn die Liebe zu seiner Frau im Konfliktfall über den eigenen ethischen Überzeugungen stehen würde“, sagte Gröhe der Zeitung.
„Im Leben eines jeden Menschen gibt es Fragen von wahrhaft existenzieller Bedeutung, die jede(r) Betroffene nur für sich selber – nach bestem Wissen und Gewissen – beantworten kann“, schreibt CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach in einem Gastbeitrag für den Focus.
Zugleich rügte Bosbach, dass Schneider jetzt von Anhängern der kommerzialisierten Sterbehilfe „zum Kronzeugen ihres Engagements“ gemacht werde. Dies geschehe „ganz gewiss gegen seinen Willen“. Für Bosbach macht es einen „großen Unterschied“, ob jemand aus „Liebe, Mitgefühl und lebenslanger Verbundenheit mit einem Schwerstkranken dessen letzten Wunsch erfüllt“, oder ob man aus der Angst vieler Menschen vor dem Tod, vor unerträglichen Schmerzen oder langem Siechtum „ein Geschäftsmodell“ mache.
In Deutschland wird seit längerem über eine gesetzliche Neuregelung der Sterbehilfe debattiert. Aktive Sterbehilfe, die sogenannte Tötung auf Verlangen, ist in der Bundesrepublik verboten. Beihilfe zur Selbsttötung ist dagegen straffrei.
Die Bundesregierung plant ein neues Gesetz zur Sterbehilfe, das kommerzielle Sterbehilfe, möglicherweise aber auch jede organisierte Form von Sterbehilfe, unter Strafe stellt. Das neue Gesetz könnte 2015 kommen.
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