Große Mehrheit sorgt sich um Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung

Berlin – Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) genießt einer Umfrage zufolge großen Rückhalt in der Bevölkerung. Mit 80 Prozent erachtet sie eine große Mehrheit als wichtigen Bestandteil des Sozialstaats. Dies geht aus einer Befragung im Auftrag des GKV-Spitzenverbands hervor. Demnach werden auch die zentralen Elemente des Systems mehrheitlich unterstützt.
So finden es 80 Prozent sehr gut oder gut, dass die Krankenkassen nicht nach Gewinnen streben und es keine Ausschüttungen an Investoren gibt. Dass Angehörige ohne eigenes oder nur mit geringem Einkommen beitragsfrei in der GKV mitversichert werden können, begrüßen 78 Prozent. Und jeweils 73 Prozent schätzen das finanzielle Solidarprinzip – alle Versicherten tragen die Kosten gemeinsam – und die Gesundheitsversorgung unabhängig von Alter und Vorerkrankung.
Zugleich machen sich zwei Drittel der Befragten große oder sehr große Sorgen um die finanzielle Lage der gesetzlichen Krankenversicherung. 39 Prozent schätzen die Finanzierung sogar als so problematisch ein, dass sie grundlegende Veränderungen als notwendig erachten. Für die Erhebung befragte das Meinungsforschungsinstitut Essentiq im September und Oktober bundesweit 2.000 Menschen ab 18 Jahren online.
„Der Solidarausgleich zwischen Gesunden und Kranken, zwischen höheren und niedrigeren Einkommen sowie zwischen den Generationen ist der Kern der gesetzlichen Krankenversicherung mit ihren 75 Millionen Versicherten“, sagte der Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Oliver Blatt. Die GKV sei „ein tragendes Element unseres Sozialstaats“.
„Die Umfrage zeigt deutlich, wie sehr dieses hohe Gut in der Bevölkerung geschätzt wird, und das bestärkt uns, auf Basis dieser grundlegenden Prinzipien unser Versorgungssystem weiterzuentwickeln“, betonte Blatt. Die Menschen würden aber auch erkennen, wie schwierig die finanzielle Situation aktuell sei und es grundlegende Veränderungen brauche.
Die Krankenkassen hatten zuletzt eine Klage gegen den Bund eingereicht. Ziel ist es, zu erreichen, dass dieser die Finanzierung der Kosten für die gesundheitliche Versorgung von Bürgergeldbeziehenden trägt. Dafür bleibt der Bund den Krankenkassen aus deren Sicht Jahr für Jahr rund zehn Milliarden Euro schuldig.
„Seit vielen Jahren adressiert der GKV-Spitzenverband die Forderung an die Politik, dass diese rechtswidrige Unterfinanzierung beendet wird“, hieß es vom Kassenverband. Da immer wieder kurzfristige politische Interessen über die langfristige Stabilität der GKV gestellt worden seien, habe der Verwaltungsrat im September beschlossen, Klage gegen die unzureichende Finanzierung einzureichen.
Die Ergebnisse der Umfrage würden den Stellenwert und die Akzeptanz einer solidarisch verfassten gesetzlichen Krankenversicherung in der deutschen Gesellschaft unterstreichen, sagte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann.
Sie machten aber auch deutlich, dass diese Zustimmung kein Selbstläufer sei. Die GKV-Beitragssätze befänden sich auf Rekordniveau, die finanziellen Belastungen der Beitragszahlenden nähmen weiter zu. Gleichzeitig erlebe man immer mehr Effizienz- und Performanceprobleme. Dass die Menschen sich Sorgen machten, sollte „als Weckruf verstanden werden“.
Wenn das Vertrauen in die solidarische Basis des deutschen Gesundheitssystems nicht abrutschen soll, muss die Koalition die Sorgen und Ängste der Menschen endlich ernst nehmen und für nachhaltige Lösungen sorgen. „Gerade bei der Stabilisierung der GKV-Finanzen werden sich die Handlungsfähigkeit und der gesundheitspolitische Erfolg dieser Koalition entscheiden“, so Reimann.
Mit Blick auf die derzeit angespannte finanzielle Lage der Krankenkassen richtete Anne-Kathrin Klemm, Vorständin des BKK Dachverbandes, einen Appell an Politik, Wirtschaft und Industrie. „In diesen zweifellos schwierigen Zeiten wäre es ein riesiger Fehler, die Axt am Solidarsystem anzulegen. Auf steigende Beitragssätze und explodierende Ausgaben darf die Antwort nicht schlicht ‚Leistungskürzung‘ oder ‚Eigenbeteiligung rauf‘ lauten“, warnte sie.
„Wer die Solidarität bewahren will, muss die Finanzierungsbasis der GKV stärken“, sagte Hans Peter Wollseifer, Vorstandsvorsitzender des IKK e.V. Dazu gehörten eine faire Steuerfinanzierung versicherungsfremder Leistungen, wirksame Begrenzung von Ausgabendynamiken und eine verlässliche Finanzstrategie, die Planungssicherheit schaffe.
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hatte zuletzt versucht, für das kommende Jahr Kosten der GKV für Krankenhäuser in Höhe von 1,8 Milliarden Euro einzusparen. Doch das Vorhaben liegt im Vermittlungsausschuss zwischen Bund und Ländern. Letztere sind untereinander zerstritten – und auch mit dem Bund nicht auf einer Linie.
Ob es zu einer Einigung kommt, ist unklar. Morgen soll der Vermittlungsausschuss eigentlich tagen, am Freitag soll der Bundesrat sich noch einmal mit dem Pflegegesetz befassen, in das die Einsparung eingebettet wurde. Stand heute ist offen, wie es weitergeht.
Dass die Maßnahme am Ende eine Beitragssatzerhöhung der Krankenkassen verhindern wird, ist unwahrscheinlich. Wie sich die Politik in den kommenden Jahren auf viel größere Einsparungen einigen will, ist für viele Beobachter ein Rätsel.
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