Politik

Grünen-Politiker machen Vorschläge gegen Kindergesund­heitskrise

  • Montag, 19. Dezember 2022
/picture alliance, Christoph Soeder
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Berlin – Grünen-Gesundheitspolitiker haben einige Vorschläge zur Lösung der aktuellen Krise in den Kinderkliniken und -praxen vorgelegt. Darin plädierten die Politikerinnen und Politiker um den gesundheitspolitischen Sprecher Janosch Dahmen für Schritte gegen fehlende Arzneimittel und Behandlungsmöglichkeiten für Kinder.

Zur Entlastung von Kinderkliniken sollen etwa niedergelassene Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte von den bestehenden Budgetbegrenzungen befreit werden und ihre erbrachten Leistungen entsprechend dem tatsächlichen Mehraufwand ohne Abzüge vergütet bekommen. Ein ähnliches Vorhaben hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vergangene Woche im Bundestag verkündet.

Auch sollen Haus- und Kinderärzte in Krisenzeiten „unbegrenzt und bei vollständiger Vergütung“ auch telemedizinisch, etwa per Videosprechstunde, behandeln dürfen. Der zugrundeliegende "4-Punkte-Krisenplan zur Verbesserung der Akutversorgung von Kindern" von den Grünen-Politikern liegt dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ) vor.

Darin heißt es weiter, dass Kinder- und Jugendärzte sowie Hausärzte in unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten Regionen umgehend einen Vergütungsaufschlag erhalten sollten, um die medizinische Versorgung zu sichern.

Und: Wenn verträgsärztliche Leistungen nicht möglich sind, sollten Eltern auch privatärztliche Angebote für ihre Kinder in Anspruch nehmen können. Diese Kosten sollten durch die gesetzliche Krankenversicherung, auch ohne vorherige Genehmigung, erstattet werden.

Darüber hinaus sollten Apothekerinnen und Apotheker mangelnde Medikamente wie beispielsweise Fiebersäfte zur Behandlung akuter Atemwegserkrankungen eigenständig und ohne erneutes Rezept durch den behandelnden Arzt oder die Ärztin herstellen dürfen, schlagen die Grünen-Politikerinnen und Politiker vor.

Telefonische Absprache mit Arzt soll ausreichen

Apotheker sollten nach telefonischer Rücksprache mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin auch Alternativprodukte ausgeben können, ohne dass dafür ein neues Rezept ausgestellt werden muss, so die Grünen-Politiker.

Zudem soll der pharmazeutische Großhandel verpflichtet werden, alle Medikamente, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel geführt werden, zu bevorraten. Der Großhandel sollte weiter verpflichtet werden, absehbare Lieferengpässe gegenüber dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) anzuzeigen. Bislang sind lediglich pharmazeutische Unternehmen dazu verpflichtet.

„Die Gleichzeitigkeit von verschiedenen Atemwegserkrankungen führt zurzeit zu einer ausgesprochen hohen Krankheitslast in der Gesamtbevölkerung und dadurch erneut zu einer akuten Belastung des Gesundheitssystems, insbesondere auch in Kinderkliniken und Kinderarztpraxen“, heißt es in dem Papier. Zudem sei die „bedarfsgerechte gesundheitliche Versorgung von Kindern“ derzeit „in einem besorgniserregenden Maß eingeschränkt“.

Um Familien in der aktuellen Gesundheitskrise zu entlasten, sollen Eltern erst ab dem vierten Tag der Erkrankung des Kindes ein Attest gegenüber dem Arbeitgeber und der Krankenkasse vorlegen müssen – derzeit ist die Bescheinigung bereits ab dem ersten Tag fällig.

Die ab dem 1. Januar 2023 verpflichtende elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sollte zudem „schnellstmöglich auch um die Attestierung von Kinderkrankentagen erweitert werden“.

„Unsere Vorschläge dienen der kurzfristigen Verbesserung der aktuellen Engpässe bei Kindermedikamenten“, sagte die Grünen-Politikerin Paula Piechotta dem . „Wir schlagen unter anderem vor, die Regeln für Apotheken bei Abgabe von Medikamenten-Alternativen deutlich zu vereinfachen, die Melde-Pflichten bei Engpässen deutlich zu verbessern und die Übernahme der Kosten zu gewährleisten, wenn Apotheken in der aktuellen Situation Fiebersäfte selbst herstellen.“

Das seien aber nur kurzfristige Ansätze. „Mittel- und langfristige Lösungen müssen wir im Generikagesetz finden mit einem neuen Gleichgewicht der Arzneimittelpreise zwischen patentgeschützten Medikamenten und Generika“, so Piechotta.

Gesundheitsminister Lauterbach will in der kommenden Woche einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen, der die medizinische Versorgung von Kindern sicherstellen soll.

Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt, hat im Zusammenhang mit knappen Arzneimitteln verstärkte Nachbarschaftshilfe vorgeschlagen. Angesichts der aktuellen Infektionswelle und wachsender Arzneimittelknappheit helfe nur Solidarität, sagte Reinhardt dem Berliner Tagesspiegel gestern. Reinhardt sagte, wer gesund sei, müsse vorrätige Arznei an Kranke abgeben.

Reinhardt sagte, es gehe auch darum, wieder zu lernen, „Krisenzeiten pragmatisch und standfest abzuwettern“. Danach könne und müsse wieder Grundsätzliches angegangen werden, wie die Reform der Arzneimittelproduktion.

Die Idee eines milliardenschweren Programms zum Aufkauf von Medikamenten weltweit sehe er kritisch: „Das hilft nicht. Andere Länder der Welt haben dasselbe Problem. Denen können wir doch die Arzneien nicht wegkaufen.“

cmk/dpa

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