Politik

Gutachten schlägt neue Systematik für Sozialleistungen vor

  • Dienstag, 26. März 2024
/Martine A Eisenlohr, stockadobecom
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Berlin – Mit einem Sozialleistungsrecht, das stärker auf Pauschalen setzt, könnte das System deutlich verein­facht werden. Zu diesem Ergebnis kommt ein aktuelles Gutachten im Auftrag des unabhängigen Normenkon­trollrats.

„Möglicherweise höhere Regelfallbeträge könnten durch entsprechende Einsparungen von Verwaltungsauf­wand im Vollzug kompensiert werden“, heißt es in dem Gutachten des Beratungsunternehmens Deloitte.

Darin wird zudem vorgeschlagen, Regelfälle zu automatisieren, sodass nur noch spezifische Einzelfälle einer individuellen, persönlichen Bearbeitung unterzogen werden müssten. Solche Einzelfälle seien etwa Leistun­gen für Menschen mit Beeinträchtigungen, die einen erhöhten Bedarf hätten.

Pauschal könnte nach Ansicht der Wirtschaftsprüfer beispielsweise die im Bildung-und-Teilhabe-Paket ent­haltene Erstattung von Kosten für den Schulweg gewährt werden. „Anstatt in Einzelfallbetrachtungen zu prü­fen, ob erstens eine Angewiesenheit auf Schulbeförderung vorliegt und zweitens die nächste Schule besucht wird, bieten sich lokale Pauschalen an“, heißt es in dem Gutachten. Erst bei Überschreiten der festgelegten Pauschale würde dann ein Sachbearbeiter für eine Einzelfallprüfung einbezogen.

Außerdem schlagen die Autoren des Gutachtens vor, die zahlreichen Anrechnungsverhältnisse zwischen den verschiedenen Sozialleistungen sollten auf ein Minimum reduziert werden. Dafür sollten Leistungen gebün­delt und drei Bedarfsebenen festgelegt werden: Haushaltsbedarf, alltäglicher Bedarf für Erwachsene, all­täglicher Bedarf für Kinder und Jugendliche.

Wichtig sei auch, dass bei der geplanten Kindergrundsicherung die Leistungsbestandteile „konsequent gebün­delt“ würden. Dies sei bei diesem Vorhaben bis jetzt noch nicht der Fall, unter anderem weil „angrenzende Leistungen wie Bürgergeld und Wohngeld nicht ausreichend adressiert und Behördenkontakte nicht reduziert, sondern erhöht wurden“.

Der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Andreas Audretsch, wertete das Gutachten dennoch als „Rückenwind“ für die Kindergrundsicherung. „Wir haben die Chance, die Grundlage zu legen für eine echte Modernisierung unseres Sozialstaates, wir setzen auf Bündelung von Leistungen und Transparenz, auf Digitalisierung der Abläufe und eine automatische Auszahlung“, erklärte er.

Der Normenkontrollrat besteht aus zehn ehrenamtlichen Mitgliedern und ist beim Bundesministerium der Justiz angesiedelt. Er hat den Auftrag, Gesetzesvorhaben hinsichtlich des damit verbundenen bürokratischen Aufwands zu prüfen.

In dem beauftragten Gutachten heißt es, aufgrund fehlender organisatorischer Vorgaben und technischer Standards verfüge der örtliche Sozialleistungsvollzug in der Regel über jeweils spezifische Strukturen, Prozesse und IT-Systeme. Angesichts des Fachkräftemangels sei es fraglich, ob die Handlungsfähigkeit der Sozialleistungsverwaltung langfristig sichergestellt werden könne.

dpa

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