Gutachten stellt Zuständigkeit des Bundes bei Krankenhausreform infrage

Berlin – Die geplante Krankenhausreform birgt das Risiko einer formellen Verfassungswidrigkeit. Zu diesem Ergebnis kommt ein aktuelles Gutachten des Juristen Ferdinand Wollenschläger, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Europarecht und Öffentliches Wirtschaftsrecht, an der Universität Augsburg.
Es bestehen „durchgreifende Einwände hinsichtlich der Zuständigkeit des Bundes für das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz“, heißt es in dem Gutachten. Der Gesetzentwurf regele schwerpunktmäßig Versorgungsstrukturen und überschneide damit die Planungsbefugnisse der Länder.
Hintergrund ist, dass die Bundesländer per Grundgesetz über die Planungshoheit in der Krankenhausversorgung verfügen. Sie sind zudem in der Verantwortung, entsprechende Investitionskosten zu tragen. Der Bund kann hingegen Regelungen hinsichtlich des Finanzierungssystems der Krankenhäuser treffen.
Der Entwurf eines Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) mit Regelungen zur geplanten Krankenhausreform ist derzeit als nicht zustimmungspflichtig geplant. Das bedeutet, die Länder müssen im Bundesrat dem Gesetz nicht zustimmen. Lauterbach hatte erklärt, dass Aspekte, die die Krankenhausplanung der Länder betreffen, in zustimmungspflichtigen Rechtsverordnungen ausgelagert werden sollen.
Den Ländern reicht das nicht. Sie forderten in der Vergangenheit immer wieder, das Gesetz müsse zustimmungspflichtig werden. Als Reaktion hatten Bayern, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg das Gutachten bei Wollenschläger in Auftrag gegeben.
Genau vor einem Jahr hatte der Jurist im Auftrag dieser Länder (außer Baden-Württemberg) bereits ein ähnliches Gutachten zur Krankenhausreform veröffentlicht. Bereits damals kam Wollenschläger zu dem Ergebnis, dass die Vorschläge der Regierungskommission Krankenhausversorgung zur Krankenhausreform gegen die in der Verfassung verankerte Gesetzgebungskompetenz der Länder verstoßen würden.
Es sei unerheblich, dass nicht unmittelbar Vorgaben für die Krankenhausplanung, sondern Qualitäts- und Vergütungsregelungen im Rahmen des KHVVG getroffen werden sollen, heißt es im aktuellen 55-seitigen Gutachten. Diesen komme erhebliche Planungsrelevanz zu.
„Hängt die Vergütung der Krankenhäuser, wie vorgesehen, von der bundesrechtlich definierten Berechtigung zur Leistungserbringung qua Einhaltung von bundesrechtlich definierten Qualitätsanforderungen einschließlich Mindestvorhaltezahlen ab, können die Krankenhäuser den krankenhausplanerisch zugewiesenen Versorgungsauftrag (adäquat vergütet) nur noch nach Maßgabe detaillierter, auf eine qualitativ hochwertige Versorgung zielende Strukturvorgaben des bundesrechtlichen Vergütungsregimes erfüllen“, heißt es in dem Papier.
Geplante Ausnahmergelungen nicht ausreichend
Allerdings sind im Gesetzentwurf Ausnahmeregelungen vorgesehen, sodass die Länder von den bundeseinheitlichen Regelungen abweichen dürfen, sollte dadurch die flächendeckende Versorgung gefährdet sein.
„Ob die verfassungsrechtlichen Einwände durch die vorgesehenen Abweichungsmöglichkeiten zu Gunsten der Länder ausgeräumt werden können, erscheint wegen des skizzierten Ausmaßes des Eingriffs in die Planungshoheit der Länder schon im Grundsatz fraglich“, schreibt Wollenschläger dazu.
Die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU), kündigte an, vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Reformvorhaben klagen zu wollen, sollte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) dies nicht korrigieren.
„Besonders zu kritisieren ist, dass der Bundesgesundheitsminister die Versorgungssicherheit gefährdet. Denn viel zu viele Krankenhäuser müssen in Folge seines Reformvorschlags ihr Leistungsangebot ganz erheblich verringern. Das ist unverantwortlich“, so Gerlach.
Das Gutachten solle aber keine Blockadepolitik manifestieren, sondern setze sich mit der Frage auseinander, wie eine verfassungskonforme Reform nachhaltig und rechtssicher ausgestaltet werden kann, betonte Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU).
„Das war von Beginn an das gemeinsame Ziel, und daran halten wir Länder fest.“ Gerlach, von der Decken, der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) und ihr Amtskollege aus Baden-Württemberg, Manne Lucha (Grüne), fordern Lauterbach erneut auf, das Gesetz wieder als zustimmungspflichtig zu regeln.
Lauterbach reagierte gestern nach Bund-Länder-Gesprächen zur Krankenhausreform gelassen. Diese Haltung der Länder sei nicht neu, sagte er. Er setze auf die Verfassungsressorts des Bundes und erklärte, das KHVVG werde so ausgestaltet, dass es zustimmungsfrei sei. Die geplanten Rechtsverordnungen mit weiteren Details etwa zu benötigten Mindestvorhaltezahlen seien hingegen zustimmungspflichtig.
Die Gesprächsrunde hat ergeben, dass zwischen Bund und Ländern noch viele unterschiedliche Ansichten hinsichtlich der Reform bestehen. Die Länder wollen bis zum 30. April eine gemeinsame Stellungnahme zum KHVVG abgeben. Am 8. Mai soll das Bundeskabinett über den Entwurf entscheiden.
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