Politik

Krankenhausreform: Hecken wirft Ländern politischen Opportunismus vor

  • Dienstag, 16. April 2024
/picture alliance, epd-bild, Paul-Philipp Braun
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Berlin – Der unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), Josef Hecken, traut den Bun­desländern bei der Krankenhausreform nicht über den Weg. Er kritisierte heute auf dem Deutschen Krankenhaus-Controll­er­tag das geplante Vorgehen bei der Krankenhausreform, Weiterentwicklungen der geplanten Leistungsgruppen und ent­sprechende Qualitätskriterien per Rechtsverordnung mit Zustimmung der Bundesländer beschließen zu wollen.

Die zugrundeliegenden Empfehlungen für die Weiterentwicklung solle dem Gesetzentwurf eines Krankenhaus­versorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) zufolge ein neues Gremium ausarbeiten. Dieser Ausschuss soll mit Vertretern des GKV-Spitzenverbands (GKV-SV), der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), der Bundesärzte­kammer (BÄK) und der Berufsorganisationen der Pflegeberufe besetzt werden. Patientenorganisationen können beratend teilnehmen.

Hecken bezweifelt, dass die Bundesländer dieser Rechtsverordnung im Bundesrat zustimmen würden. Denn Bun­desgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) habe das eigentliche Reformgesetz nicht ohne Grund zustimm­ungs­frei gestaltet. Die Länder hätten Hecken zufolge kein Interesse, eine wirtschaftliche und gute Patientenver­sorgung zu gestalten, sondern ihr Handeln sei gekennzeichnet von „blankem politischen Opportunismus“.

Bund und Länder wollen morgen erneut zur geplanten Krankenhausreform beraten. Das Gespräch reiht sich in einige Beratungsrunden ein, in denen sich Lauterbach Ende vergangener Woche mit Kommunen, Gesundheits­verbänden und einigen Krankenhäusern getroffen hatte. Zur Beratung liegt der KHVVG-Entwurf zugrunde, der vor wenigen Tagen in die Verbändeanhörung gestartet ist.

Bund und Länder haben bereits einige Konflikte im Rahmen der Krankenhausreform hinter sich. Insbesondere ein erster kleiner Baustein der Reform, das Krankenhaustransparenzgesetz, hatten die Länder vorübergehend im Bundesrat blockiert.

Streit um Zustimmung der Bundesländer

Der DKG-Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß prognostizierte heute auf dem Controllertag zum KHVVG: „Dieses Gesetz wird so niemals kommen, weil es so nicht zustimmungsfähig ist.“

Zur Erklärung: Das Reformgesetz soll nach den Plänen das Bundesgesundheitsministeriums nicht mehr zustimmungspflichtig im Bundesrat sein. Gaß zufolge betreffen aber einige Aspekte die Planungshoheit der Länder und können nicht ohne deren Zustimmung beschlossen werden. Er schätzt aber, dass der Bundestag das Gesetz in quasi unverän­derter Form beschließen werde.

Gaß sprach sich deutlich für die NRW-Leistungsgruppen aus. Statt eines „NRW Plus“-Modells brauche es das „NRW pur“-Modell, so Gaß. Er nannte die fünf zusätzlich geplanten Leistungsgruppen, die zu den 60 Leistungs­gruppen aus NRW hinzukommen sollen als „völlig schwachsinnig“.

Diese Leistungsgruppen hätten keinen vernünftigen Sachzusammenhang und würden sich über die NRW-Pla­nung, die über Jahre hinweg mit viel Sachverstand erarbeitet worden sei, hinwegsetzen. Hecken zufolge seien die Kriterien der NRW-Leistungsgruppen jedoch deutlich zu gering angesetzt, er kritisierte zudem die geplanten Aus­nahmemöglichkeiten.

Wichtig bei den Leistungsgruppen sei insbesondere eine „gerichtsfeste Auswahlentscheidung“ der Länder, sodass diese die Leistungsgruppen auch tatsächlich den Klinikstandorten zuweisen könnten, betonte Wulf-Dietrich Leber, Abteilungsleiter „Krankenhäuser“ beim GKV-Spitzenverband.

Mindestvorhaltezahlen für alle Leistungsgruppen berechnen dauert

Die geplanten Mindestvorhaltezahlen im Rahmen der Krankenhausreform hält Hecken hingegen für vernünftig. Allerdings sieht er die praktische Umsetzung kritisch. Denn diese müssten für alle Leistungsgruppen „durchde­kliniert“ werden.

Um entsprechende Evidenz zu generieren, welche Vorhaltezahlen zu mehr Qualität führten, würden sechs bis sieben Jahre vergehen, schätzt Hecken. Dies sei schwierig, da die geplanten Vorhaltepauschalen an die Einhal­tung der Mindestvorhaltezahlen geknüpft werden sollen.

Insgesamt seien die bestehenden Regelungen und Richtlinien des G-BA zu wenig im Gesetzentwurf und in der Ausgestaltung der Leistungsgruppen berücksichtigt, bemängelte Hecken. „Das sind alles Fragezeichen, die ich an dieser Stelle sehe, wo ich davon ausgehe, dass sie bis zum Ende des Gesetzgebungsverfahrens nicht beantwortet sind“, so Hecken.

Dazu komme, dass das Geld für den Transformationsfonds hälftig aus dem Gesundheitsfonds kommen solle. Hecken warnte vor der Situation, dass die Länder diese Umstrukturierungsmittel aus dem Transformations­fonds bräuchten, selbst aber nicht die andere Hälfte der geforderten Finanzierung decken könnten. Bereits in der Ver­gangenheit seien die Länder nicht in der Lage gewesen, ihrer Investitionskostenfinanzierung gerecht zu werden, bemängelte Hecken.

Der Bund sowie die Privaten Krankenversicherungen müssten sich ebenfalls an den Kosten für den Transforma­tionsfonds beteiligen, forderte Leber vom GKV-Spitzenverband. Beitragsmittel der GKV dürften nicht zu Einnah­men der Länder werden, warnte er.

Warnung vor großen Kostensteigerungen

Vor enormen Kosten für das System, warnte zudem Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer. „Es be­steht das Risiko, dass von der groß angekündigten Reform der stationären Versorgungsstrukturen eine reine Finanzreform übrigbleibt. Damit drohen enorme Kosten für das System und die gesetzlich Versicherten, ohne dass die dringend notwendigen Qualitäts- und Strukturveränderungen tatsächlich angepackt werden“, sagte er dem Deutschen Ärzteblatt.

Er kritisierte zudem, dass Lauterbach die strittigsten Passagen des Reformgesetzes zu neuen Qualitätsvorgaben in Verordnungen regeln wolle. „Damit zögert er den Konflikt mit den Ländern nur hinaus. Bei der Abstimmung mit den Bundesländern darf es keine weiteren Abstriche bei der Qualität geben“, betonte Straub.

Da wichtige politische Weichenstellungen im Rahmen der Reform fehlten, werde man die nächsten drei oder vier Jahre lediglich „vor sich hindümpeln“, prognostizierte heute Hecken. Er befürchtet deshalb eine kalte Strukturbe­reinigung. Damit gingen Krankenhäuser vom Netz, die als Spezialkliniken oder für die Versorgung auf dem Land benötigt werden.

Die Folge aus Heckens Sicht: Die Qualität der stationären Versorgung werde nicht verbessert, sondern ver­schlech­tert. „Am Anfang war ich beleidigt, dass der G-BA nicht mitspielen durfte. Mittlerweile bin ich froh, dass wir nicht mitspielen.“ Denn was dieses Gesetz für die Patientenversorgung bedeute, wolle er nicht mitverant­worten.

cmk/bee

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