Report zeigt mangelnde Qualität bei Brustkrebs und Notfallversorgung

Berlin – Der neue Krankenhaus-Report 2024 verdeutlicht eine fehlende Qualität vieler Krankenhäuser. An den Beispielen Brustkrebs und Herzinfarkt werde der Bedarf nach Konzentration von Behandlungen auf Kliniken mit leitliniengerechtem Versorgungsangebot sowie dem Ausschluss von Gelegenheitsversorgung deutlich, sagte Christian Günster, Leiter der Qualitäts- und Versorgungsforschung im WIdO heute bei der Vorstellung.
Das Buch wird jährlich vom AOK-Bundesverband und dem Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) herausgegeben. 2022 haben demzufolge 95 Kliniken weniger als 25 Brustkrebsfälle pro Jahr operiert. Das sind 18 Prozent aller an der Brustkrebsversorgung beteiligten Krankenhäuser, so Günster. Seit diesem Jahr gilt allerdings eine Mindestmenge des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) von 50 Operationen pro Jahr, ab 2025 soll sie auf 100 ansteigen.
Weitere 40 Prozent der Kliniken hatten kein Zertifikat der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) oder ein vergleichbares Zertifikat vorliegen, erklärte Günster. Hier würden aber knapp 13 Prozent aller Brustkrebsfälle operiert werden. „Somit wurden mehr als 9.000 Frauen mit Brustkrebs in Krankenhäusern behandelt, die dafür nicht optimal aufgestellt sind“, so Günster. Der Trend zur Brustkrebsbehandlung in zertifizierten Zentren sei allerdings positiv. 2018 lag dieser Anteil noch bei knapp 16 Prozent.
Unterschiede in der Versorgung gibt es zwischen den Bundesländern. In Berlin fanden 2022 nur 0,2 Prozent aller Brustkrebsoperationen in nicht zertifizierten Kliniken statt. In Sachsen-Anhalt waren es knapp 25 Prozent. Auch Brandenburg (23,6 Prozent) und Schleswig-Holstein (22,3 Prozent) schneiden in dieser Hinsicht schlecht ab. Die Daten stammen aus den Qualitätsberichten der Krankenhäuser.
Ähnlich werde bei der Notfallversorgung deutlich, dass einige Patientinnen und Patienten nicht optimal versorgt würden, erklärte Günster. Im Jahr 2022 wurden 4,9 Prozent der 191.000 Herzinfarktfälle in Kliniken behandelt, die über kein Katheterlabor verfügten.
Auch hier gibt es große Unterschiede zwischen den Bundesländern. Am besten sei die Versorgung in Hamburg, dort habe es 2022 nur zwei entsprechende Fälle gegeben. Im Saarland werde jedoch jeder 9. Herzinfarktfall in einer Klinik ohne Herzkatheterlabor behandelt (11,5 Prozent), stellte Günster vor. „Die Ergebnisse zeigen: Eine Umsteuerung ist möglich und manche Bundesländer machen es in Best-Practice-Beispielen bereits vor.“
Günster resümiert, dass Gelegenheitsversorgung und mangelnde Aufgabenteilung unter den Kliniken weiterhin stark verbreitet seien. Entsprechend werde eine Strukturreform unter Beachtung von Qualitätsgesichtspunkten dringend benötigt.
Auch Jochen Schmitt vom Universitätsklinikum Dresden und Mitglied der Regierungskommission Krankenhäuser betonte, es sei wissenschaftlich klar belegt, dass Gelegenheitsversorgung zu schlechteren Behandlungsergebnissen führe und ein vermeidbares Risiko für die Patientensicherheit darstelle. Dabei verwies er auch auf die WiZen-Studie, die finanziert aus dem Innovationsfonds genau diese Fragestellung für Krebserkrankungen in Deutschland untersucht hatte.
Strukturreform nicht von Finanzreform lösen
Die benötigte Strukturreform dürfe aber nicht von der Finanzierungsreform entkoppelt werden, warnte heute die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann. Sonst drohe die geplante Krankenhausreform zu einer „teuren leeren Hülle ohne positive Effekte für die Versorgung der Patientinnen und Patienten“ zu werden.
Die Krankenhausreform sieht die Einführung von Leistungsgruppen vor, die bundeseinheitliche Kriterien festlegen, für welche Leistungen die Krankenhäuser entsprechende personelle und technische Ausstattung vorhalten müssen. Damit soll die Qualität der Patientenversorgung verbessert werden. Zudem ist eine Vorhaltefinanzierung geplant.
Damit sollen die Kliniken 60 Prozent der Betriebskosten als Pauschale erhalten, noch bevor sie Leistungen erbringen. Die restliche Finanzierung soll nach wie vor über diagnosebezogene Fallpauschalen (DRG) laufen. Ein Referentenentwurf für das entsprechende Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) liegt vor. Das Bundeskabinett soll diesen Entwurf am 8. Mai verabschieden, danach folgt das parlamentarische Verfahren.
Reimann sieht die vorliegenden Ergebnisse, die im KHVVG geregelt sind, jedoch „ausgesprochen kritisch“. Es fließe sofort Geld für Kliniken – unter anderem die geplante Refinanzierung der Tarifkostensteigerungen –, aber die Verbesserung der Leistungen werde auf die lange Bank geschoben, monierte Reimann.
Sie begrüßte die Forderungen der Bundesländer, dass die geplanten Rechtsverordnungen zur Ausgestaltung der geplanten Leistungsgruppen zeitnah zum Inkrafttreten des KHVVG kommen sollen. Diese Verordnungen dürften nicht auf unbestimmte Zeit verschoben werden, betonte sie. Damit werde man nur weitere Krankenhäuser und Strukturen finanzieren, die nicht mehr gebraucht werden.
Bedarf stärker berücksichtigen
Reimann sprach sich für strikte Vorgaben für die Leistungsgruppen aus. Entsprechende Ausnahmemöglichkeiten sollten Reimann zufolge nur selten möglich sein. Hier hatten die Bundesländer dauerhafte Ausnahmemöglichkeiten gefordert. Außerdem lehnte Reimann die vorgesehene Bemessung der Vorhaltefinanzierung auf Basis der erbrachten Fälle ab.
Damit werde der Hamsterradeffekt der Kliniken nicht gestoppt, betonte Reimann. Stattdessen müsse man sich den Bedarf in der Bevölkerung anschauen und die Versorgung in Regionen mit geringen Fallzahlen aufrechterhalten.
Ein entsprechendes Simulationsmodell soll den Ländern helfen, den Bedarf für ihre Krankenhausplanung besser abschätzen zu können, ergänzte Schmitt. Mitglieder der Regierungskommission Krankenhäuser und Vertreter des GKV-Spitzenverbands entwickelten das Instrument, das ab Herbst als Webanwendung genutzt werden soll.
Reimann wiederholte erneut die Forderung der Krankenkassen, dass sich der Bund mit Steuermitteln am geplanten Transformationsfonds beteiligen müsse. Dieser soll Krankenhäuser bei Umstrukturierungen im Rahmen der Reform unterstützen. Sie kritisierte die vorgesehene hälftige Finanzierung über den Gesundheitsfonds, der hauptsächlich von Beiträgen der GKV-Versicherten gespeist wird.
Dies sei unfair für die Beitragszahlenden. Zudem sei die GKV für die Betriebskosten der Krankenhäuser und nicht für Investitionskosten und für die Infrastruktur zuständig. Dies sei eine „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“ und sollte aus Steuermitteln von Bund und Ländern getragen werden, forderte Reimann.
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