Hausärztechef Weigeldt kritisiert Coronadatenlage

Berlin – Eine „weiterhin katastrophale Datenlage“ in Deutschland bezüglich der Beurteilung der Coronapandemie kritisierte heute der scheidende Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, im Rahmen der Delegiertenversammlung des Verbandes.
Die Erhebung, Auswertung und auch die Kommunikation entsprechender Daten werde noch immer nicht sachgerecht und transparent organisiert, so Weigeldt. Nach wie vor beziehe man Daten, etwa zur Behandlung mit Paxlovid, aus Israel und anderen Ländern.
Dies entbehre nicht einer „gewissen Bigotterie“, da diese Länder eine „andere Auffassung“ vom Datenschutz vertreten würden und zugleich der Aspekt Datenschutz in Deutschland häufig als Verhinderungsgrund in Erscheinung trete. Im Resultat verfüge man in Deutschland nach fast drei Jahren Pandemie keine vernünftige Datenlage für Entscheidungen, Maßnahmen und Einschränkungen.
Kritik übte Weigeldt auch an den mit der Neufassung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) jüngst erfolgten Neuregelungen für den kommenden Coronaherbst und -winter. Die Debatte um Maßnahmen wie die Maskenpflicht tauge nicht als vertrauensbildende Maßnahme. Das „realitätsferne Klein-Klein“ komme bei den Menschen draußen nicht an.
Weigeldt – der nochmals bekräftigte, sein Amt als Bundesvorsitzender morgen an eine zu wählende Nachfolgerin/Nachfolger übergeben zu wollen – forderte zudem, neben COVID-19 auch andere Erkrankungen wieder stärker ins öffentliche Blickfeld zu rücken. Ein Beispiel sei die anstehende Grippesaison, der man mit einer deutlichen Steigerung der Impfquoten wesentlich entspannter entgegensehen könnte.
„Wir wissen, dass die Influenza für Ältere und Kranke ebenfalls eine erhebliche Gefährdung darstellt und können nicht zufrieden sein, dass sich im vergangenen Jahr noch nicht einmal die Hälfte der Betroffenen haben gegen Grippe impfen lassen“, so der Weigeldt. Zu fordern sei daher, mit der geplanten bundesweiten Impfkampagne neben der Corona- auch die Grippeschutzimpfung zu bewerben.
Ein weiteres Thema des Berichtes Weigeldts stellte die „nicht-Digitalisierung des Gesundheitswesens“ dar. In diesem Bereich fehle es an Nutzerorientierung und Barrierefreiheit. Auch die politischen Interventionen hätten bislang nicht geholfen. Ob die Übernahme von 51 Prozent durch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) langfristig ein richtiger Schritt war, bleibe abzuwarten.
Bezüglich der Diskussionen und „Rangeleien“ mit den Apothekern merkte Weigeldt an, dass man darauf achten sollte, sich letztlich zu verständigen – wenn notwendig auch mit „härterer Argumentation aber nicht mit kriegerischer Rhetorik“. Es habe sich immer gelohnt, mit der Spitze der ABDA einen direkten Austausch zu pflegen.
Zwar werde die Grenze zwischen Pharmazie und hausärztlicher Medizin „hier und da überschritten“, aber eine vitale Bedrohung sehe er für beide Seiten – auch durch das Dispensierrecht für Paxlovid oder für Notfallmedikamente – nicht.
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