Politik

Heimbetreiber für Pflegemängel zu Schadensersatz verurteilt

  • Montag, 8. Januar 2018
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Bonn/Dortmund – Wenn ein Pflegeheim aufgrund gravierender Pflegemängel geschlossen wird, könnten Heimbetreiber künftig den Bewohnern Schadenersatz leisten müssen. Das jedenfalls hat das Amtsgericht Bonn im bundesweit ersten Prozess dieser Art entschieden (Az.: 118 C 253/16).

„Auf die Träger steigt damit der Druck, Pflegemängel rasch abzustellen“, kommentierte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, heute das erst jetzt bekanntgewordene Urteil, gegen das im Dezember Berufung (Az.: 5 S 155/17) eingelegt wurde. Bislang seien in solchen Fällen ausschließlich die Bewohner auf diesen Mehrausgaben sitzengeblieben, fügte Brysch hinzu. „Deshalb ist die Entschei­dung des Amtsgerichts Bonn wegweisend“, so die Stiftung, die laut eigenen Angaben das Prozesskostenrisiko übernommen und eine Bewohnerin bei ihrer Klage unterstützt hatte.

Fall „Haus Dottendorf“

Anlass für das Urteil war der bundesweit für Aufmerksamkeit sorgende Skandal um das Bonner Pflegeheim „Haus Dottendorf“. Die Heimaufsicht der Stadt hatte aufgrund zweier mysteriöser Todesfälle und „gefährlicher Pflege“ zunächst eine Teilräumung angeordnet. Anfang 2015 wurde das Heim komplett geschlossen. Die knapp 100 Bewohner mussten innerhalb von zwei Tagen in anderen, auch weiter weg gelegenen Einrichtungen unterkommen, vielfach auch in teureren Pflegeheimen. Im Oktober 2016 wies das Verwaltungsgericht Köln eine Klage der Betreiber, der Senator-Gruppe aus Dortmund, ab und bestätigte die Schließung als rechtmäßig.

Der Fall hatte auch deshalb so viel Beachtung gefunden, weil die Pflegeeinrichtung vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen bei der letzten Überprüfung die Pflege­note 1,0 erhalten hatte. Das war Wasser auf die Mühlen aller Kritiker des bestehenden Systems der Pflegenoten. Derzeit arbeiten Experten an einer Reform des Pflege-TÜV.

Die klagende Bewohnerin war zum Zeitpunkt der Schließung 77 Jahre alt und hatte Pflegestufe zwei. In dem neuen Heim musste sie 8,67 Euro am Tag mehr bezahlen. Nach 442 Tagen starb sie, doch die Erben führten das Verfahren fort. Das Amtsgericht Bonn sprach ihnen den Ersatz der Umzugskosten sowie der Mehrkosten für die Unterbringung zu – insgesamt rund 5.000 Euro.

Gravierende Mängel in den 13.600 Pflegeheimen in Deutschland kommen immer wieder vor. Doch es ist die absolute Ausnahme, dass eine Heimaufsicht eine Einrich­tung deshalb gänzlich schließt. „Grund dafür ist auch, dass ein Zwangsumzug für die Bewohner sehr belastend ist“, sagte Brysch.

Nach Darstellung des Prozessbevollmächtigten, des Hamburger Rechtsanwalts Oliver Tolmein, könnte das Bonner Urteil, wenn es rechtskräftig wird, bundesweite Aus­wirkungen haben. „Denn die neuen Heimgesetze der Länder sind hier sehr ähnlich konzipiert. Entscheidend ist, dass die aus dem Mietrecht übernommenen Schaden­ersatz­ansprüche bei Wohnraum-Überlassungsverträgen greifen, die mit Pflege kombiniert werden.“

kna

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