Hirnschaden: Strafprozess wegen Babyschüttelns
Osnabrück – Immer wieder kommt es vor, dass Eltern von ihren Babys überfordert sind und sie schütteln, wenn sie viel schreien. Die Folgen sind schwerwiegend: Die Kinder können sterben oder schwerste Behinderungen erleiden – wie jetzt wieder ein Fall aus Melle zeigt, der vor dem Landgericht Osnabrück verhandelt wird.
Im vorliegenden Fall soll ein Vater aus dem Kreis Osnabrück sein kleines Kind so stark geschüttelt haben, dass das erst wenige Monate alte Baby einen schweren Hirnschaden erlitt. Deswegen muss sich der 26-Jährige aus Melle von heute an vor dem Landgericht Osnabrück verantworten. Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft schüttelte der Mann seine vier Monate alte Tochter im März 2014 absichtlich und ohne Grund stark, als er alleine mit dem Kind in seiner Wohnung war.
Gelähmt und pflegebedürftig
Als die Mutter zurückkam, war das Kind unterkühlt und nicht ansprechbar. Die Frau alarmierte den Notarzt. Im Krankenhaus wurde festgestellt, dass die Körpertemperatur des Kindes bei 33 Grad Celsius lag. Bis Juni 2014 war das Baby in stationärer Behandlung. Ärzte stellten eine schwere Hirnschädigung fest. Das Mädchen ist seitdem gelähmt und in höchstem Maße pflegebedürftig.
Der Angeklagte sagt zu den Tatvorwürfen nichts. Zu Prozessbeginn sagt er nur einmal, die Vorwürfe würden nicht stimmen. Für den Prozess sind bis Ende Januar drei weitere Verhandlungstage geplant.
Nach aktuellen, vom Nationalen Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) veröffentlichten Zahlen werden schätzungsweise zwischen 100 und 200 Säuglinge und Kleinkinder mit Schütteltrauma jährlich in deutsche Kliniken gebracht. Zwischen zehn und 30 Prozent der geschüttelten Kinder sterben, sagte eine Sprecherin des Sozialministeriums in Hannover.
Viel zu wenige Menschen wüssten, was Schütteln eigentlich verursache – dies könne von der Behinderung bis zum Tod des Kindes führen, betonte die Bundesgeschäftsführerin des Deutschen Kinderschutzbundes, Cordula Lasner-Tietze. Auch Ärzte müssten geschult werden, um gezielter auf Symptome zu achten, die auf ein Schütteln hindeuten. „Die wenigsten Eltern sagen von sich aus, dass sie das Kind geschüttelt haben“.
Die große Mehrheit der Fälle werde von Männern verursacht, rund 30 Prozent von Frauen, sagte Lasner-Tietze. In der Regel seien die Eltern oder Betreuer der Kinder überfordert – so hielten sie das Schreien von Babys nicht aus oder würden nicht wissen, wie man die Kinder beruhigt. Besonders Stiefväter im Alter um die 25 Jahren hätten oft keine Erfahrung mit kleinen Kindern und könnten schnell überfordert sein.
Deswegen seien sie manchmal nicht die geeignete Betreuungsperson, vor allem für Kinder, die sehr viel schreien. „Denn Schreikinder überfordern selbst die geduldigsten Väter und Mütter“, sagte Lasner-Tietze. Hier müssten die Eltern sich professionelle Hilfe holen.
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