Ärzteschaft

Hitzestress-­Nephropathien nehmen zu

  • Mittwoch, 17. April 2024
/Tanapat Lek, jew, stock.adobe.com
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Wiesbaden – Die Hitzestress-Nephropathie könnte zu einer zunehmenden Bedrohung für die Gesundheit werden. Über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Nierengesundheit sprachen Internistinnen und Internisten auf dem diesjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM).

Die Heat-Stress-Nephropathie, oder Hitzestress-Nephropathie, ist eine chronische Nierenerkrankung durch wiederholte Hitzeexpositionen. Häufig trete sie in Kombination mit körperlicher Anstrengung und unzurei­chender Trinkmenge auf, sagte Simone Cosima Boedecker-Lips von der Klinik für Nephrologie, Rheumatologie und Nierentransplantation Universitätsmedizin Mainz.

„Unter den Zuckerrohrarbeitern in Nicaragua haben bis zu 42 Prozent mittlerweile eine chronische Nierener­krankung“, so Boedecker-Lips. Ähnliche Daten gebe es aus Sri Lanka und Indien: Menschen, die in der Land­wirtschaft, im Bergbau oder in der Ziegelproduktion arbeiteten, wiesen zunehmend häufig chronische Nie­ren­erkrankungen auf. In den landwirtschaftlich geprägten Gebieten der USA gebe es ebenfalls eine Zunahme chronischer Nierenleiden.

Ursächlich ist zunächst eine akute Nierenschädigung durch Dehydratation bei Hitze. Zusätzliche Folgen seien Elektrolytverschiebungen, vermehrte Harnwegsinfektionen sowie die Zunahme von Nierensteinen. Bis 2050 seien Prognosen zufolge in den USA mit bis zu 2,2 Millionen zusätzlichen Fällen von Nephrolithiasis zu rechnen, sagte Boedecker-Lips.

„Je nachdem wie warm es ist, hat der Körper die Möglichkeit bis zu zwei Liter Schweiß pro Stunde zu produ­zieren“, führte die Nephrologin aus. So viel könnten Menschen gar nicht nachtrinken beziehungsweise sei der Körper auch nicht in der Lage dazu, so viel Wasser aufzunehmen.

Dennoch ist es insbesondere bei Vorerkrankten wichtig, die Trinkmenge und die Medikation im Blick zu behalten. „Ich würde zunehmend das Konzept der doppelten diuretischen Therapie im Sommer hinterfragen“, sagte Joachim Beige, Leiter des KfH-Nierenzentrums Finsterwalde. So setze er Thiazide zur heißen Jahreszeit oftmals ab, wenn es zusätzlich Schleifendiuretika gebe. Im Winter bräuchten die Patientinnen und Patienten dagegen die Medikation gegen Blut.

Damit Herzinsuffizienz-Patienten durch eine erhöhte Trinkmenge nicht kompensierten, müssten Vorstellungs­intervalle verkürzt werden, so Beige. Ein Kongressteilnehmer riet als Orientierung zudem zu regelmäßigen Gewichtskontrollen durch die Patienten selbst.

Während der Klimawandel die Nierengesundheit verschlechtert, hat auch andersherum die Nierengesundheit beziehungsweise deren Therapie Einfluss auf den Klimawandel. Denn insbesondere die Nierenersatztherapie geht mit hohen CO2-Emissionen hervor.

„Hochgerechnet für die Behandlung von zwei Millionen Dialysepatienten weltweit pro Jahr ergibt sich ein Verbrauch von circa 156 Milliarden Liter Trinkwasser, 1,62 Milliarden Kilowattstunden Strom und 625.000 Tonnen Plastikmüll“, sagte Jan Galle, Direktor der Klinik für Nephrologie und Dialyseverfahren am Klinikum Lüdenscheid und Vorsitzender der DGIM 2024/2025 (Hemodial Int 2012; DOI: 10.1111/j.1542-4758.2011.00639.x). Die Kraftstoff- und weiteren Kosten für den Patiententransport zu den Dialysezentren seien hier noch nicht einmal eingerechnet, so Galle.

mim

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