Ärzteschaft

Gesundheits­versorgung an Klimawandel anpassen

  • Montag, 15. April 2024
/j-mel, stock.adobe.com
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Wiesbaden – Die Direktorin des Instituts für Allgemeinmedizin an der Universität Köln, Beate Müller, hat sich dafür ausgesprochen, die planetare Gesundheit in jeder Leitlinie zu berücksichtigen.

Zum Beispiel solle man im Bereich der Präzisionsmedizin immer auch den Treibhausgasabdruck der Therapie mit bedenken, sagte Müller heute auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) in Wiesbaden. Unter planetarer Gesundheit versteht man das wissenschaftliche Konzept, das beschreibt, wie die Gesundheit des Menschen von der Gesundheit der Ökosysteme abhängt.

Von der Weltgesundheitsorganisation WHO wird der Klimawandel als die größte Gesundheitsbedrohung für die Menschheit bezeichnet. Ärztinnen und Ärzte hätten vor diesem Hintergrund die Möglichkeit und die Ver­antwortung, sich für den Klimaschutz einzusetzen und etwas zu verändern, sagte Müller.

Das gelte sowohl im Hinblick auf die Anpassung an den Klimawandel als auch auf die Reduktion der eigenen Treibhausgasemissionen. Das Qualitätssiegel „Nachhaltige Praxis“ könne, zum Beispiel, dabei helfen, die Emissionen, die in einer Arztpraxis entstehen, strukturiert zu reduzieren.

Bewusstsein in der Ärzteschaft hat sich geändert

Das Bewusstsein innerhalb der Ärzteschaft im Hinblick auf den Klimaschutz habe sich in den vergangenen zwei Jahren verändert, erklärte Müller. Mittlerweile gebe es zum Beispiel auch ärztliche Fortbildungen zu diesem Thema.

„Mein Wunsch ist es, den Klimaschutz im Gesundheitswesen noch mehr auf evidenzbasierte Füße zu stellen“, sagte Müller und berichtete von dem Innovationsfondsprojekt „Adapt-Heat – Hitzesensible Medikationsanpas­sung“, das einen Beitrag dazu leisten soll.

Das Projekt, das von Anfang 2024 bis Ende 2026 vom Innovationsfonds gefördert wird, hat zum Ziel, die CALOR-Liste zu entwickeln, die eine Übersicht darüber geben soll, bei welchen Arzneimitteln bei Hitzewellen eine Medikationsanpassung vorgenommen werden sollte.

Denn bei Menschen mit chronischen Vorerkrankungen scheinen einige Medikamente das hitzebedingte Ge­sundheitsrisiko zu verstärken. „Bislang gibt es aber noch keine konkreten Empfehlungen zur Medikationsan­passung bei Hitzewellen“, so Müller.

Medikation an Hitzewellen anpassen

Schon heute sollten Ärztinnen und Ärzte mit ihren Patienten jedoch über die Folgen des Klimawandels für die Gesundheit sprechen. Zum Beispiel sollten Patienten, deren Blutdruck mit Diuretika gesenkt wird, bei Hitze­wellen häufiger ihren Blutdruck messen und gegebenenfalls die Medikation anpassen. Denn der Blutdruck kann bei Hitzewellen fallen. Nimmt man dann weiterhin Blutdrucksenker, können Schwindel und Kreis­laufkollaps die Folge sein.

Auch im Urlaub sollten Patientinnen und Patienten die Folgen des Klimawandels bedenken, so Müller. Denn in vielen Mittelmeerregionen sei die Tigermücke mittlerweile heimisch, die sowohl das Dengue- und das Chikungunya- als auch das Gelb- und das West-Nil-Fieber übertragen kann. Insbesondere das Denguefieber sei mittlerweile in verschiedenen Regionen Südeuropas aufgetreten. „Vor kurzem hatten wir bei einem Reise­rückkehrer auch in Köln einen Fall von Denguefieber“, sagte Müller.

Ärzte könnten ihre Patienten darauf hinweisen, dass die Schutzmaßnahmen, die für deutsche Mücken em­pfohlen werden, für die Tigermücke nicht gelten. Denn Tigermücken seien tagaktiv, sie stächen durch die Kleidung und sie surrten nicht, sodass man sie nicht hören könne, erklärte Müller. Sie riet vor diesem Hinter­grund dazu, den Impfkalender perspektivisch an den Klimawandel anzupassen.

Angepasst werden sollte auch die Medikation bei Asthmatikerinnen und Asthmatikern, sagte Müller. Sofern dies bei den jeweiligen Patienten möglich sei, sollte von Dosieraerosolen auf Pulverinhalatoren umgestellt werden. Denn Dosieraerosole hätten eine 1.300-fach erhöhte Klimawirkung als Pulverinhalatoren. „Durch diese Umstellung haben wir als Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner einen großen Hebel in der Hand, um die Treibhausgasemissionen in diesem Bereich zu senken“, betonte Müller.

fos

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