HIV: WHO warnt vor Zunahme von Resistenzen

Genf - Eine Untersuchung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zeigt, dass HI-Viren zunehmend resistent gegen häufig eingesetzte und kostengünstige antiretrovirale Medikamente sind. Die Entwicklung gefährdet das „90-90-90“-Ziel der WHO, die auf das Problem mit einem globalen Aktionsplan reagiert.
Die WHO hat das Ziel ausgegeben, dass bis zum Jahr 2020 mindestens 90 Prozent aller HIV-Infektionen erkannt werden. Von diesen solle mindestens 90 Prozent mit Medikamenten behandelt werden mit dem Ziel, dass bei mindestens 90 Prozent der Patienten die Viruslast im Blut unter die Nachweisgrenze sinkt.
Die erste „90“ wird sich kaum nachweisen lassen. Niemand weiß genau, wie viele Menschen mit HIV infiziert sind. Die Chancen, dass die zweite „90“ erfüllt wird, standen noch nie so gut wie 2016: Die WHO schätzt, dass 19,5 Millionen von derzeit weltweit 36,7 Millionen bekannten HIV-Infizierten Zugriff auf antiretrovirale Wirkstoffe haben, die langfristig das Überleben der Patienten sichern – sofern sie die erhoffte Wirkung erzielen. Doch vielerorts scheint die Behandlung, die die tägliche Einnahme mehrerer Wirkstoffe erfordert, nicht konsequent durchgeführt zu werden. In vielen Ländern haben sich resistente Viren ausgebreitet, die das Erreichen der dritten „90“-Ziels infrage stellen.
Das Problem war bereits im HIVDR-Report („HIV drug resistance“) von 2012 erkennbar. Es scheint sich in den letzten Jahren weiter verschärft zu haben.
Die WHO ist weit davon entfernt, die HIVDR-Problematik zu überblicken. Nationale HIVDR-Surveys wurden bisher erst in 26 Ländern durchgeführt, von denen 14 Daten an die WHO weitergeleitet haben. Die Ergebnisse sind ernüchternd.
In sechs von elf Ländern in Südamerika, Afrika und Südostasien hatten mehr als 10 Prozent der Patienten bereits vor Beginn der Behandlung Viren im Blut, die gegen Efavirenz oder Nevirapin resistent waren.
Efavirenz oder Nevirapin gehören zur Gruppe der nicht-nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI). Sie sind relativ preisgünstig und deshalb in vielen Ländern das Rückgrat der HIV-Therapie. Ihr Wirkungsverlust bedeutet, dass die Patienten auf andere in der Regel teurere Medikamente wechseln müssten.
Bei Patienten, die bereits mit antiretroviralen Wirkstoffen behandelt wurden, lag der Anteil der Resistenz doppelt so hoch (21,6 Prozent versus 8,3 Prozent), und bei Patienten, bei denen es zum Therapieversagen gekommen ist, beträgt der Anteil der NNRTI-Resistenzen sogar bei 57 bis 90 Prozent.
Die Zunahme der resistenten HI-Viren verhindert, dass das dritte „90“-Ziel nicht erreicht wird. Zwei der vier Länder, die hierzu Daten nach Genf übermittelten, liegen bereits unter der 90 Prozent-Grenze.
Resistenzen verteuern auch die Therapie, und sie können dazu führen, dass Patienten an Aids sterben. Berechnungen der WHO haben ergeben, dass es in den nächsten fünf Jahren zu 135.000 Todesfällen infolge von Resistenzen kommen könnte. Die Behandlungskosten könnten um 650 Millionen US-Dollar ansteigen.
Die WHO hat einen globalen Aktionsplan vorgestellt. Er fordert größere Anstrengungen zur Prävention, ein besseres Monitoring, verstärkte Anstrengungen der Forschung und den Ausbau der Laborkapazitäten sowie eine bessere „Governance“ in den einzelnen Mitgliedsländer.
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