Ausland

Hohe Impfstoffpreise in Südafrika: Pharmaunternehmen und Impfstoffallianz in der Kritik

  • Dienstag, 19. September 2023
/scaliger, stock.adobe.com
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Johannesburg – Südafrika musste für Impfstoffe gegen COVID-19 offenbar überhöhte Preise bezahlen und gleichzeitig in Knebelverträge einwilligen. Das berichtet das British Medical Journal (BMJ) auf Basis von In­formationen der Nichtregierungsorganisation Health Justice Initiative (2023; DOI: 10.1136/bmj.p2112). HJI hatte die südafrikanische Regierung verklagt, um die Veröffentlichung von Impfstoffverträgen zu erzwin­gen.

Bei Einsicht in die Verträge zeigte sich nach Angabe der Aktivisten, dass die Global Alliance for Vaccines and Immunization (Gavi), Pfizer, die Johnson-&-Johnson-Tochter Janssen Pharmaceutica und das Serum Institu­te of India „überwältigend einseitige“ Bedingungen der Geheimhaltung, Beschränkungen für die Verteilung an an­dere Länder und Preise festgelegt hätten, die in einigen Fällen die Preise für reichere Länder überstiegen.

„In unserem Ringen um dringend benötigte Impfstoffe wurde Südafrika gezwungen, unvorstellbare Summen für überteuerte Impfstoffdosen auszugeben“, sagte Fatima Hassan, Direktorin von HJI, bei einer Pressekonfe­renz in Johannesburg. „Wir wurden zu unfairen und undemokratischen Bedingungen in Verträge gezwungen, die völlig einseitig waren“, betonte sie.

Der „ungeheuerlichste Vertrag“ war laut HJI der mit Johnson & Johnson. Demnach stimmte Südafrika nach Angaben der Organisa­tion zu, zehn US-Dollar pro Dosis für den Einzelimpfstoff von Johnson & Johnson zu zahlen. Zum Vergleich: Die Europäische Union hat HJI zufolge 8,50 US-Dollar und gemeinnützige Organisa­tio­nen 7,50 US-Dollar gezahlt.

Johnson & Johnson bestritt allerdings, dass Südafrika tatsächlich zehn Dollar pro Dosis gezahlt habe. „Die Be­hauptung, Südafrika habe mehr gezahlt als andere Länder oder Organisationen, ist falsch. Südafrika zahlte den gleichen Preis von 7,50 US-Dollar pro Dosis wie jeder andere Kunde unseres Impfstoffs weltweit“, sagte ein Sprecher von Johnson & Johnson dem BMJ.

Problematisch ist laut HJI auch der Vertrag mit Pfizer: Er sieht laut dem BMJ-Beitrag eine Vorauszahlung von 40 Millionen US-Dollar vor, bietet aber keine Garantien für das Lieferdatum oder überhaupt eine Lieferung.

Im Falle einer Nichtlieferung würde Südafrika nur die Hälfte dieser Vorauszahlung zurückerhalten. Außerdem werde Südafrika vertraglich gehindert, Impfdosen an Nachbarländer weiterzugeben, die sie möglicherweise benötigten.

„Sie können dies nicht ohne die vorherige und schriftliche Zustimmung von Pfizer tun, und im Gegensatz zu anderen Verträgen kann Pfizer seine Zustimmung verweigern, egal wie lange und aus welchem Grund“, sagte Matthew Herder, ein kanadischer Experte von der Dalhousie University, der den Pfizer-Vertrag für HJI analy­sierte, dem BMJ.

Der offensichtlich größte Aufschlag, den Südafrika laut den Verträgen zahlte, ging an das Serum Institute of India, Hersteller des Astrazeneca-Impfstoffs. Südafrika zahlte 5,35 Dollar pro Dosis, verglichen mit dem Preis in der EU von 2,15 Dollar.

Problematisch ist offenbar auch der Vertrag mit Gavi. HJI behauptet, dass Gavi in den Vertragsverhandlungen zu viel versprochen, zu wenig geliefert und strenge Bedingungen festgelegt habe.

Brook Baker von der Northeastern University, der den Vertrag zwischen Gavi und Südafrika für Pfizer-Impf­stoffe untersuchte, nannte ihn „illusorisch – kein garantierter oder offengelegter Preis, keine festgelegte An­zahl von Dosen, und es wurde nur ein Zehntel der Vereinbarung geliefert“, kritisierte er.

Ein Gavi-Sprecher sagte hingegen, Südafrika habe über neun Millionen Dosen erhalten, wovon rund acht Milli­o­nen kostenfreie Spenden gewesen seien. Der Sprecher fügte hinzu, dass weder Gavi noch die Verteilungs­initiative Covax Gewinne erzielt hätten. „Alle Kosten für Länder im Zusammenhang mit Covax-Dosen dienen ausschließlich dazu, die Zahlungen an die Hersteller auszugleichen“, sagte er dem BMJ.

HJI vermutet, dass nicht nur Südafrika derartige Bedingungen hat hinnehmen müssen, um Impfstoffe zu er­hal­ten – klar ist dies aber nicht, weil die meisten Verträge nicht veröffentlicht sind.

Geheimhaltungsklauseln sind dem BMJ zufolge weit verbreitet gewesen. Sie hätten teilweise vorgesehen, dass die Impfstofflieferungen gestoppt werden, wenn die Preise veröffentlicht würden. „Überall übernahmen Regierungen die Haftung für Impfschäden. Patente blieben bei den Unternehmen, auch wenn die Regierungen die Forschung finanzierten“, so die Kritik.

hil

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