Hohe Sterblichkeit in Pflegeheimen in erster und zweiter Coronawelle

Berlin – Die Sterblichkeit in Pflegeheimen lag in den ersten beiden Coronawellen im Frühjahr und Herbst des vergangenen Jahres nach Angaben des AOK-Bundesverbands deutlich über dem Mittel der Vorjahre.
Wie der Verband heute unter Verweis auf den „Pflegereport 2021“ des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) mitteilte, gab es im Frühjahr 20 Prozent mehr Todesfälle, von Oktober bis Dezember überstieg die Sterblichkeit das Niveau der Vorjahre um durchschnittlich 30 Prozent.
Pro Woche starben demnach in den letzten drei Monaten 2020 durchschnittlich neun von 1.000 Pflegeheimbewohnern. Kurz vor dem Jahreswechsel, als mit dem Impfen gegen das Coronavirus begonnen wurde, gab es mit 13 Todesfällen auf 1.000 Bewohner sogar 80 Prozent mehr Sterbefälle in den Einrichtungen als in den Vorjahren.
In Deutschland werden rund 800.000 Menschen in einer Pflegeeinrichtung betreut. Der AOK-Bundesverband stützt sich bei seiner Erhebung auf die rund 400.000 Menschen, die bei AOK-Kassen versichert sind.
Der Bericht weist auch auf andere Phasen mit deutlich erhöhter Sterblichkeit in den Vorjahren hin – unabhängig von Corona. Zum Teil gab es im Winter und im Sommer deutliche Anstiege. „Die nahe liegenden Ursachen wie Grippe- und Hitzewellen gilt es gleichfalls weiter zu untersuchen und hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Pflegeheimbewohnenden in den Blick zu nehmen“, sagte Antje Schwinger, Mitherausgeberin des Pflege-Reports.
Thematisiert werden auch die Auswirkungen der Pandemiemaßnahmen auf die Pflegebedürftigen. Eine Angehörigenbefragung im vergangenen Herbst ergab demnach, dass ein Großteil der Betroffenen drastische Einschränkungen in Kauf nehmen musste.
73 Prozent der befragten Bezugspersonen berichteten, dass zwischen März und Mai 2020 die Möglichkeit zum persönlichem Kontakt, auch unter Einhaltung von Schutzmaßnahmen, nur selten oder gar nicht gegeben war. Rund 40 Prozent der Pflegebedürftigen konnten den Angaben zufolge das eigene Zimmer nur selten oder nicht verlassen.
Viele Befragte (mehr als 70 Prozent) berichteten von häufigeren Gefühlen der Einsamkeit und des Alleinseins bei ihren Angehörigen. Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, Verschlechterungen bei Beweglichkeit und geistiger Fitness wurden ebenfalls von einer Mehrheit genannt.
Schwinger rief dazu auf, zu untersuchen, „welche technischen, baulichen, rechtlichen und personellen Veränderungen und Ressourcen benötigt werden, um zu vermeiden, dass sich eine solche Situation wiederholt“. Auf keinen Fall dürfe es zur Gefährdungsvermeidung noch einmal zu einer generellen Isolierung alter Frauen und Männer von der Außenwelt und ihren Angehörigen kommen, warnte sie.
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