Politik

Holocaust: Überlebende mahnt im Bundestag

  • Mittwoch, 31. Januar 2024
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) begleitet die 91-jährige Auschwitz-Überlebende Eva Szepesi nach ihrer Rede bei einer Gedenkstunde des Deutschen Bundestages zum Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus zu ihrem Platz. /picture alliance, Jörg Carstensen
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) begleitet die 91-jährige Auschwitz-Überlebende Eva Szepesi nach ihrer Rede bei einer Gedenkstunde des Deutschen Bundestages zum Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus zu ihrem Platz. /picture alliance, Jörg Carstensen

Berlin – Der Bundestag hat in einer Feierstunde der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Dabei beklagte die Holocaustüberlebende Eva Szepesi das Wiedererstarken von Antisemitismus. Sie forderte Widerspruch und ein Eintreten für Demokratie und gegen Rechtsextremismus.

„Nie wieder ist jetzt“, sagte sie unter anhaltendem Applaus des vollen Plenums. Der 1949 in Polen geborene Sportjournalist Marcel Reif sprach anschließend als Vertreter der zweiten Schoah-Generation. Sein Vater hatte den Holocaust nur knapp überlebt.

Der Bundestag erinnert seit 1996 jährlich an die Befreiung der Überlebenden des Konzentrations- und Ver­nichtungslagers Auschwitz durch Soldaten der Roten Armee am 27. Januar 1945.

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) gedachte der sechs Millionen ermordeten Juden in Europa, der Sinti und Roma sowie „der wegen ihrer politischen Überzeugung, ihres christlichen Glaubens oder als Zeugen Jeho­vas verfolgten Menschen“, der queeren Menschen und der Opfer der sogenannten Euthanasie.

Der Holocaust sei auch für die Überlebenden nie aus ihrem Leben verschwunden, betonte Bas. „Es erfüllt mich mit Scham, dass den Überlebenden lange niemand zuhören wollte“.

Szepesi, die Auschwitz als Kind überlebt hatte, erinnerte an den Terror der Hamas am 7. Oktober in Israel als schlimmsten Angriff auf Juden seit der NS-Zeit. Er habe auch hierzulande den Antisemitismus erneut befeuert. Sie selbst müsse inzwischen unter Polizeischutz in Schulen sprechen.

Die Schoah habe mit Worten begonnen, „mit dem Schweigen und Wegschauen der Gesellschaft“, mahnte sie. Es erschrecke sie, dass rechtsextreme Parteien wieder gewählt würden, die die Demokratie bedrohten. „Wer schweigt, macht sich mitschuldig.“

Zuvor hatte Szepesi aus eigenem Erleben geschildert, wie mit der Einführung der NS-Rassengesetze Ausgren­zung, Verfolgung und Deportation begannen. Sie schilderte ebenso eindrücklich wie bedrückend den Verlust ihrer Eltern und Verwandten, ihre Deportation in einem Viehwaggon nach Auschwitz sowie die brutalen und demütigenden Misshandlungen des zwölfjährigen Kindes im KZ.

Ihr Lebensweg führte sie nach dem Krieg nach Deutschland. Hier habe sie 50 Jahre über ihre Geschichte ge­schwiegen. „Ich kann nicht hassen, dafür habe ich zu viel Liebe bekommen“, betonte sie. Nun sei es ihre Le­bensaufgabe „für alle zu sprechen, die nicht mehr sprechen können“, so die 91-Jährige.

Reif mahnte Deutschland, die zweite Chance nach dem Holocaust nicht zu verspielen. Die „großen Demonstra­tionen der Aufrechten machen mir Hoffnung“, betonte er. Seine Familie sei nach dem Krieg über Polen und Israel nach Deutschland, in das „Land der Täter“, zurückgezogen.

Sein Vater habe lange über den Holocaust geschwiegen. Er selbst habe nicht gefragt – aus Angst, unfassbares zu hören. Er habe die Kinder so vor den furchtbaren Schatten der Vergangenheit bewahren wollen. Irgend­wann sei ihm aber klar geworden, dass sein Vater ihm seine Lebenserfahrung doch mitgeteilt habe, nämlich in dem Satz: „Sei ein Mensch“. Dieses „Vermächtnis“ wolle er auch den Parlamentariern weitergeben.

Studenten der Universität der Künste Berlin umrahmten die Gedenkstunde mit Stücken von Künstlern, die in der NS-Zeit verfolgt oder ermordet worden waren.

kna

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung