Ärzteschaft

Homöopathie: Ende der Zusatzweiterbildung unter dem Dach der Landesärztekammer Baden-Württemberg

  • Montag, 22. Juli 2024
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Stuttgart – In Baden-Württemberg wird es nach dem Willen der Landesärztekammer des Landes keine Zusatz­weiterbil­dung Homöopathie mehr für Ärztinnen und Ärzte geben. Sie werde aus der Satzung der Weiterbil­dungs­ordnung gestrichen, entschied die Vertreterversammlung (VV) der Kammer am vergangenen Samstag.

Vorausgegangen war eine intensive Debatte in der VV, berichten Teilnehmende. Bei der geheimen und schriftlichen Abstimmung stimmten die 52 anwesenden VV-Mitglieder für die Abschaffung, 31 dagegen, neun enthielten sich. Nach der Bekanntgabe des Ergebnisses soll zunächst „respektvolle" Stille geherrscht haben, berichten Teilnehmende.

„Mit ihrer Entscheidung hat sich die Vertreterversammlung final zur Frage positioniert, in welchem Rahmen Homöopathie in offiziellen Qualifikationen von Ärztinnen und Ärzten Berücksichtigung finden soll“, sagte Wolf­gang Miller, Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg, im Anschluss in einer Mitteilung.

„Die Kammer hat ihrerseits das Thema Homöopathie mit aller Sorgfalt behandelt und die gesetzlich vorge­schriebenen Verfahrensprozesse mit der gebotenen Gründlichkeit durchgeführt.“

Die Kammer hatte seit 2021 debattiert und war 2022 bereits zum gleichen Entschluss gekommen – damals allerdings in anderer Zusammensetzung der VV. Zuletzt auch mit einem offenen Debattenformat die Argu­mente von Gegnern und Befürwortern ausgetauscht.

Das Sozialministerium in Baden-Württemberg muss die entsprechende Satzungsänderung noch genehmigen, wie gestern eine Ministeriumssprecherin sagte. Die Prüfung der Formalien beginne nun. Sollte alles seine Ordnung haben, stehe der Streichung der Weiterbildung nichts mehr entgegen.

Die Ärztekammer betont, dass mit der Entscheidung die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Methoden oder Mitteln der Homöopathie nicht eingeschränkt oder verboten wären.

„Ärztinnen und Ärzte, die homöopathische Behandlung anbieten möchten, können dies auch weiterhin tun und dies in ihrer Außendarstellung beispielsweise durch Hinweis auf einen entsprechenden Tätigkeitsschwer­punkt auf dem Praxisschild oder im Internetauftritt deutlich machen", betonte die Kammer in einer Mitteilung. Ärztinnen und Ärzte können weiterhin Fortbildungen zu homöopathischen Behandlungsweisen, Methoden und Mitteln absolvieren – nur eben nicht mehr mit dem offiziellen Zertifikat der Kammer.

Der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) äußerte sich verärgert. „Die Delegierten haben sich damit gegen den Therapiepluralismus und auch gegen die Therapiefreiheit ausgesprochen“, erklärte All­gemeinärztin Michaela Geiger, Vorsitzende DZVhÄ und Delegierte der Landesärztekammer Baden-Württem­berg.

„Die Ärztekammer Baden-Württemberg nimmt hier eine von der Bevölkerung geforderte und in der Versor­gung bewährte Heilmethode aus der Weiterbildung“, hieß es in einer Mitteilung im Anschluss an die Entschei­dung. Der DZVhÄ sieht allerdings, dass „mittelfristig die ärztliche Homöopathie aus der Versorgung verschwin­det."

Baden-Württembergs Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) hatte die Entscheidung „das absolut falsche Signal“ genannt. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach begrüßte die Entscheidung hingegen. In der Homöopathie gebe es nichts zu lernen für Ärzte, schrieb der SPD-Politiker auf der Plattform X.

Kritik an der Entscheidung kommt vom umbenannten Verband Pharma Deutschland. „Diese Entscheidung der Landesärztekammer Baden-Württemberg gefährdet aus Sicht von Pharma Deutschland die Zukunft der inte­grativen Medizin und ignoriert das weit verbreitete Bedürfnis einer großen Gruppe von Patientinnen und Pa­tienten, für die Komplementärmedizin ein wichtiges Angebot einer umfassenden Gesundheitsversorgung dar­stellt", teilte der Verband mit.

Er vertritt nach eigenen Angaben mehr als 30 Hersteller von homöopathischen und anthroposophischen Arzneimitteln in Deutschland. Die Entscheidung stehe auch im Gegensatz zur Vereinbarung im Koalitionsver­trag der grün-schwarzen Landesregierung im Land. Diese hatte darin betont, sich für den Zugang zur Komple­mentärmedizin einzusetzen.

Die Homöopathie-Weiterbildung gab es bisher außer in Baden-Württemberg nur noch in Sachsen und Rhein­land-Pfalz. Die Landesärztekammer Rheinland-Pfalz erklärte auf Anfrage, man verfolge „aktuell keine Strei­chung der Zusatzweiterbildung Homöopathie“. Das Thema stehe auch nicht auf der Tagesordnung der kommenden Vertreterversammlungen, hieß es weiter.

Auch der Deutsche Ärztetag (DÄT) hatte sich 2022 für die Streichung eingesetzt. Zuletzt hatten sich auch die Delegierten auch auf dem DÄT 2024 in Mainz dafür ausgesprochen.

bee/dpa

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