Hunderttausende mangelhafte Schutzmasken an Ärzte geliefert

München – An niedergelassene Vertragsärzte in Deutschland sind offenbar hunderttausende mangelhafte Schutzmasken geliefert worden. Mindestens 800.000 der im Frühjahr verteilten Masken hätten Mängel gehabt oder hätten nicht den Anforderungen entsprochen, berichtet der Bayerische Rundfunk (BR) unter Berufung auf eine Umfrage bei allen Kassenärztlichen Vereinigungen (KV). Ein Teil der Masken sei vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) geliefert worden.
In Niedersachsen waren nach Angaben der zuständigen KV rund 400 Arztpraxen betroffen. Nach Aussage der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns war die Qualität der vom Bund gelieferten Waren von „unterschiedlicher Qualität“. Man habe zudem „keinen Hinweis“ vom Ministerium auf Probleme bei den beiden betreffenden Maskentypen erhalten, teilte die KVB heute per Mitteilung mit.
Zugleich relativierte die KVB die Zahlen. Sie stellte klar, dass es sich in Bayern nur um eine Teillieferung vom Bundesgesundheitsministerium georderter Masken gehandelt habe. Angesichts von rund fünf Millionen FFP2-Masken, die die KVB bislang den Vertragsärzten und -psychotherapeuten in Bayern überwiegend auf der Basis eigener Beschaffungen zur Verfügung gestellt habe, sei der Anteil an qualitativ minderwertigen Masken gering und liegt bei rund 0,2 Prozent.
Als man von der mangelhaften Qualität zweier bestimmter Maskentypen erfahren habe, habe es Warnhinweise an die Ärzte gegeben. Wer FFP2-Masken eines der beiden Typen erhalten habe, hätte diese bei der KVB umtauschen können.
Gemeinsame Recherchen des BR mit der Rechercheplattform OCCRP und internationalen Partnermedien zeigten außerdem, dass europaweit Behörden Millionen von unsicheren Masken kauften. In vielen Fällen steckte offenbar Betrug mit Zertifikaten dahinter. Die Reporter haben dem Bericht zufolge mehr als hundert Zertifikate ausgewertet. Neben Fälschungen finden sich demnach vor allem irreführende Dokumente, die auch von europäischen Zertifizierungsstellen ausgegeben wurden.
Dabei handelt es sich nicht um EU-Behörden, sondern um Firmen, die bestätigen können, ob importierte Produkte den europäischen Sicherheitsstandards entsprechen. Allerdings stellten demnach Unternehmen, die gar keine Schutzausrüstung zertifizieren dürften, wiederholt ungültige Zertifikate aus.
Vor einigen der mit irreführenden Zertifikaten verkauften Schutzmasken wird inzwischen offiziell gewarnt, auch in Deutschland. Insgesamt listet die Rückrufdatenbank der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin mehr als 50 mangelhafte Schutzmaskenmodelle auf. Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung OLAF hat Ermittlungen eingeleitet.
In Deutschland war dem Bundesgesundheitsministerium dem BR zufolge schon im April bekannt, dass Zertifikate mit „nur geringer Aussagekraft“ im Umlauf seien, wie es in einem Dokument heißt, das das Ministerium an Händler verschickte und das dem BR vorlag.
Das Ministerium lässt beschaffte Masken vom TÜV Nord stichprobenartig testen. In mehreren Fällen lieferte es demnach allerdings Masken aus, die vorher vom TÜV Nord beanstandet worden waren. Das Ministerium begründet diese Fehlzustellungen gegenüber dem BR unter anderem mit dem Zeitdruck der Pandemie-Situation. Die fehlerhafte Ware sei zurückgerufen worden.
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