Ärzteschaft

Internationaler Hausärztetag: Allgemeinmedizin muss für den Nachwuchs attraktiver werden

  • Donnerstag, 25. September 2014
Uploaded: 25.09.2014 18:38:39 by mis
Ulrich Weigeldt /axentis

Bonn – Um eine älter werdende Gesellschaft mit mehr chronisch kranken und multimor­biden Menschen angemessen versorgen zu können, benötige man eine gute Primärversorgung, erklärte der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, heute zur Eröffnung des 1. Internationalen Hausärztetages in Bonn.

Bis 2020 würden hierzulande jährlich 2.000 Hausärztinnen und Hausärzte ihre Praxen schließen. Deshalb müsse man versuchen, drohende Versorgungslücken insbesondere auf dem Land zu schließen und den Beruf des Hausarztes für den Nachwuchs wieder attraktiv zu machen. „Die Situation ist nicht nur in Deutschland so, sondern überall in Europa“, sagte Weigeldt.

Als Maßnahmen gegen den drohenden Hausarztmangel forderte der Hausärzte­verbands-Chef, an allen medizinischen Fakultäten Lehrstühle für Allgemeinmedizin einzurichten. Es sei ein Skandal, dass das an elf der 36 medizinischen Fakultäten noch immer nicht der Fall sei. Das verankere das Fach in der Wissenschaft und bringe bereits Studierende mit dem Beruf in Berührung. „Man kann sich nicht für etwas entscheiden, was man gar nicht kennt“, sagte Weigeldt.

Für einen allgemeinme­dizinischen Pflichtabschnitt im praktischen Jahr
Der Deutsche Hausärzteverband setzt sich deshalb auch für einen allgemeinme­dizinischen Pflichtabschnitt im praktischen Jahr ein. Neben Verbesserungen in der ärztlichen Ausbildung forderte Weigeldt auch eine angemessene Bezahlung der Weiterbildung in Hausarztpraxen und eine bessere Betreuung der Ärzte in der allgemeinmedizinischen Weiterbildung beispielsweise durch Weiterbildungsverbünde. „Hier muss ein Gesamtpaket geschnürt werden. Wir hoffen auf Lösungen im Versorgungstärkungsgesetz“, erklärte Weigeldt. Ein Entwurf soll im Oktober in den Ressorts der Bundesregierung abgestimmt werden.

Zukunftsmodell für innovative Versorgung ist für den Vorsitzenden des Hausärzte­verbands nach wie vor die hausarztzentrierte Versorgung, wie sie seit 2008 in Baden-Württemberg existiert. Neben einer effektiven Steuerung der Patienten durch das Versorgungssystem biete es den Ärzten ein kalkulierbares und konstantes Honorar. Den Kassenärztlichen Vereinigungen und einigen Krankenkassen warf Weigeldt vor, die hausarztzentrierte Versorgung nach wie vor zu blockieren. „Das Recht der Patienten, im Rahmen solcher Verträge behandelt zu werden, wird regional unterlaufen.“

Uploaded: 25.09.2014 18:41:50 by mis
Christopher Hermann /axentis

AOK fordert mehr Freiräume für die Versorgungsgestaltung
„Das deutsche Gesundheitswesen ist viel zu viel in institutionellen Verkrustungen und rituellem Gehabe der Hauptakteure verhaftet“, erklärte der Vertragspartner der Hausärzte in Baden-Württemberg, Christopher Hermann. Seit zehn Jahren herrsche im Gesundheitswesen ein massiver Drang zum Zentralismus, eine Ideologie der Gleich­macherei „bis in den letzten Winkel der Republik“. Das gehe oft an den Versorgungs­problemen vor Ort vorbei, kritisierte der Vorstandsvorsitzende der AOK Baden-Württemberg.

Mit der hausarztzentrierten Versorgung habe man dort ein neues Kapitel in der Versorgungslandschaft aufgeschlagen. „Dass wir nach wie vor Exoten sind, liegt am Beharrungsvermögen der Vielentscheider im Gesundheitswesen“, sagte Hermann und forderte mehr Freiräume für die Versorgungsgestaltung vor Ort. Die AOK Baden-Württemberg habe in das Modell 300 Millionen Euro investiert. Bundesweit nehmen derzeit nach Angaben des Deutschen Hausärzteverbands rund 16.000 Ärzte und 3,6 Millionen Patienten an der hausarztzentrierten Versorgung teil.

Uploaded: 25.09.2014 18:44:11 by mis
Barbara Steffens /axentis

Steffens mahnt sektorenüber­greifende Versorgung an
Als Grundsäule und Zentrum der medizinischen Versorgung einer alternden Gesellschaft bezeichnete die nordrhein-westfälische Gesundheits­ministerin, Barbara Steffens (Bünd­nis90/Die Grünen), die Hausarztmedizin. Die fachärztlichen Fachgebiete spezialisierten sich immer mehr. Schon allein deshalb müsse eine qualitativ hochwertige Basisversorgung gesichert sein. Steffens kritisierte jedoch, dass die Vernetzung zwischen den Fachgebieten ebenso wie die zwischen ambulantem und stationärem Sektor nach wie vor zu wünschen übrig lasse. „Wir brauchen eine bessere sektorübergreifende Planung mit dem Hausarzt im Zentrum“, sagte Steffens.

HK

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung