Politik

IQWiG: Nachgelagerte reguläre Nutzenbewertung bei Orphan Drugs wichtig

  • Dienstag, 20. Februar 2024
/nmann77, stock.adobe.com
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Berlin – Bei Orphan Drugs wird das politische Ziel, den Preis am Zusatznutzen auszurichten, erst durch die nachgelagerte reguläre Nutzenbewertung erreicht. Dies ist das zentrale Ergebnis einer heute vorgelegten Auswertung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).

Arzneimittel gegen seltene Leiden (Orphan Drugs) werden in Deutschland bevorzugt behandelt, um so die Entwicklung trotz wirtschaftlicher Risiken zu fördern. Neue Orphan Drugs müssen erst dann einen Zusatznut­zen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie nachweisen, wenn sie die 30-Millionen-Euro-Jahres­umsatzgrenze (bis November 2022: 50 Millionen Euro) überschreiten. Vorher gilt ihr Zusatznutzen als belegt.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) quantifiziert dann lediglich anhand der (Zulassungs-)Unterlagen das Ausmaß des Zusatznutzens. Ist im Rahmen dieser „eingeschränkten Bewertung“ keine Einordnung in die Kategorien „gering“, „beträchtlich“ oder „erheblich“ möglich, muss der G-BA dem Wirkstoff einen „nicht quan­tifizierbaren“ Zusatznutzen attestieren.

Das IQWiG hat nun ausgewertet, welche Auswirkung diese Privilegierung der Orphan Drugs auf die Preise der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hat. Der Analyse zufolge führt die reguläre Nutzenbewertung nach Überschreiten der Umsatzgrenze im Rahmen des AMNOG-Verfahrens in den meisten Fällen zu einer spürba­ren weiteren Preissenkung für die Versichertengemeinschaft.

Aber die Hersteller profitieren vereinzelt auch von höheren Preisen, wenn IQWiG und G-BA den neuen Wirk­stoff in der regulären Nutzenbewertung positiv bewerten. Die IQWiG-Analyse bezieht sich auf 23 Orphan-Drug-Wirkstoffe, die seit 2011 bis Mitte 2022 sowohl einer eingeschränkten Bewertung als auch regulären Nutzenbewertung unterzogen wurden.

Die Preisreduktion im Nachgang zur eingeschränkten Orphan-Bewertung bei Marktzugang lag im Mittel bei 14,7 Prozent im Vergleich zum Einstiegspreis in den deutschen Markt. Nach der regulären Nutzenbewertung konnte der GKV-Spitzenverband im Mittel einen weiteren Preisabschlag in Höhe von 12,6 Prozent aushandeln.

Der höchste Preisabschlag im Nachgang zur regulären Nutzenbewertung betrug 40,3 Prozent. Preisaufschläge (maximal 14,2 Prozent) zeigten sich ausschließlich nach regulären Nutzenbewertungen.

„In der Gesamtschau zeigt unsere Analyse, dass bei Orphan Drugs, die zunächst eine eingeschränkte Bewer­tung durchlaufen haben, eine erneute Bewertung in Form der regulären Nutzenbewertung in den allermeis­ten Fällen zu einer weiteren Reduzierung der Preise führt“, sagte Sarah Mostardt, eine der beiden Leiterinnen des IQWiG-Bereichs Gesundheitsökonomie.

Dabei beeinflussten die Ergebnisse zum Ausmaß des Zusatznutzens die Preisänderungen entscheidend. „Mit einer positiven Bewertung ist auch eine Preissteigerung möglich“, betonte Mostardt.

Das Ziel des AMNOG, den Preis eines Arzneimittels vor allem am Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie auszurichten, werde erst durch die nachgelagerte reguläre Nutzenbewertung von Orphan Drugs erreicht, kommentierte IQWiG-Leiter Thomas Kaiser die Ergebnisse der Auswertung.

„Unsere aktuelle Analyse belegt erneut, dass auch Orphan Drugs eine reguläre Nutzenbewertung durchlaufen können und sollten – und zwar alle“, so Kaiser. Er wies zudem darauf hin, dass Auswertungen wie diese nicht mehr möglich wären, falls die Hersteller künftig tatsächlich vertrauliche Erstattungsbeiträge bei Arzneimit­teln mit neuen Wirkstoffen vereinbaren können. Dies sieht ein aktueller Referentenentwurf für das Medizin­forschungsgesetz vor.

aha

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