Ärzteschaft

Johna: Regierung muss ihren Ankündigungen Taten folgen lassen

  • Samstag, 24. Mai 2025
Susanne Johna, 1. Vorsitzende des Marburger Bundes /Maren Strehlau
Susanne Johna, 1. Vorsitzende des Marburger Bundes /Maren Strehlau

Leipzig – Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag eine Reihe von Vorhaben für das Gesundheitswesen auf die Fahne geschrieben. Die 1. Vorsitzende des Marburger Bundes (MB), Susanne Johna, hat die Bundesregierung nun dazu aufgerufen, ihre Pläne zügig umzusetzen.

Im Koalitionsvertrag heißt es unter anderem: „Wir verringern Dokumentationspflichten und Kontrolldichten durch ein Bürokratieentlastungsgesetz im Gesundheitswesen massiv, etablieren eine Vertrauenskultur und stärken die Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Professionen, statt sie mit Bürokratie aus Gesetzgebung und Selbstverwaltung zu lähmen.“

Die Vorhaben der neuen Regierung klängen vielversprechend, sagte Johna heute auf der 145. Hauptversammlung der Ärztegewerkschaft in Leipzig. „Vor allem die Aussicht auf eine sinnvolle Fortentwicklung der Krankenhausreform und das angekündigte Bürokratieentlastungsgesetz im Gesundheitswesen könnten die Rahmenbedingungen für unsere Arbeit tatsächlich verbessern.“

Johna wies aber auch darauf hin, dass der frühere Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf der 142. Hauptversammlung des MB ein großes Gesetz zur Entbürokratisierung im Gesundheitswesen angekündigt habe. „Leider blieb es bis zum Ende seiner Amtszeit bei der bloßen Ankündigung“, so Johna.

Vor diesem Hintergrund erwarte der Marburger Bund in den ersten 100 Tagen der neuen Regierung ein wirksames Bürokratieentlastungsgesetz in der Gesundheitsversorgung.

„Wir erwarten, dass die avisierten Kontrollmechanismen des Medizinischen Dienstes im Rahmen der Umsetzung der Krankenhausreform massiv reduziert werden“, sagte Johna. „Und wir erwarten eine konkrete, spürbare Entlastung im ärztlichen Alltag, für die wir als MB und viele andere ärztliche Organisationen konkrete Vorschläge unterbreitet haben.“

Vorhaltevergütung nicht an Fälle koppeln

Auch hinsichtlich der Krankenhausreform seien die Ankündigungen aus dem Koalitionsvertrag richtig. Die neue Regierung will die Reform demnach bis zum Sommer dieses Jahres fortentwickeln und die bis zum 1. Januar 2027 geltenden Zwischenfristen zur Umsetzung anzupassen. Dies sei sehr zu begrüßen, sagte Johna. Denn es gebe mittlerweile eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem Zeitplan und der tatsächlichen Entwicklung.

In einem Beschluss forderten die Delegierten des Marburger Bundes zudem, die Vorhaltefinanzierung fallunabhängig auszugestalten. Die Krankenhausreform sieht vor, dass Krankenhäuser künftig nicht mehr in erster Linie über Fallpauschalen finanziert werden, sondern eine Vorhaltepauschale erhalten. Allerdings ist die Höhe dieser Pauschale an die Zahl der Fälle gebunden, die ein Krankenhaus erbracht hat.

„Die Höhe der Vorhaltevergütung darf nicht weiter von Fallzahlen abhängig gemacht werden“, heißt es in dem Beschluss. „Die Finanzierung hat sich allein am jeweiligen Versorgungsauftrag gemäß Landeskrankenhausplan zu orientieren.“ Vorhaltung sei als eigenständige Versorgungsleistung anzuerkennen und unabhängig von Mengengerüsten zu refinanzieren. Dies sei die Grundvoraussetzung, um den Mengenanreiz zu stoppen.

Weiterbildung strukturell absichern

Darüber hinaus muss aus Sicht des MB die ärztliche Weiterbildung strukturell abgesichert werden. „Die zunehmende Spezialisierung im Rahmen der Reform darf nicht zu einer strukturellen Schwächung der fachärztlichen Weiterbildung führen“, betonten die Delegierten. Eine weitere Zersplitterung der Fachgebiete sei zu verhindern, um eine flächendeckende Versorgung weiterhin zu gewährleisten.

In ihrem Beschluss mahnten die Delegierten auch einen vollen Inflationsausgleich für die Krankenhäuser an sowie eine Überbrückungsfinanzierung bis zu der Zeit, in der die neue Krankenhausfinanzierung greift. „Heute schreiben bereits über 70 Prozent der Krankenhäuser rote Zahlen“, betonten die Delegierten. „Jede einzelne Klinikinsolvenz gefährdet die flächendeckende Patientenversorgung.“

Solange die Kliniken nicht ausreichend finanziert würden, ruiniere der steigende wirtschaftliche Druck die Arbeitsbedingungen, mit der Folge, dass sich der Ausstieg der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ungezügelt verschärfe.

Ärztliche Personalbemessung verbindlich anwenden

Johna lobte, dass mit der Krankenhausreform ein System der ärztlichen Personalbemessung eingeführt werden soll. „Eine gute Personalausstattung ist der Dreh- und Angelpunkt für eine qualitativ hochwertige und verlässliche Patientenversorgung“, sagte sie. Die Bundesärztekammer hat mit dem sogenannten ÄPS-BÄK ein ärztliches Personalbemessungssystem entwickelt.

„Der Beschluss des Gesetzgebers, dieses Instrument weiterzuentwickeln, ist ein Erfolg der ärztlichen Selbstverwaltung“, betonte Johna. „Nach der jetzt beginnenden Evaluationsphase ist die Politik gefragt, für die verbindliche Anwendung zu sorgen. Ohne ÄPS-BÄK würden Ärzte in Weiterbildung in der Krankenhausreform gar nicht berücksichtigt. Das aber ist essenziell.“

In einem weiteren Beschluss sprachen sich die MB-Delegierten für eine klare und verbindliche Patientensteuerung aus. Dafür müssten allerdings bestimmte Leitsätze berücksichtigt werden. Zum Beispiel solle die telefonische Ersteinschätzung an allen Stellen des Primärkontaktes möglich sein und nach einem einheitlichen und validierten System erfolgen.

Zudem erfordere die telefonische Ersteinschätzung unter der Nummer 116117 und die dort bereits mögliche fallabschließende Behandlung – zum Beispiel telefonisch oder telemedizinisch – eine strukturelle und personelle Stärkung.

„Die Definition, welche Arztgruppen zu den Primärärzten zählen, sollte nicht zu eng gewählt werden, da eine Versorgung ausschließlich durch Allgemeinmediziner und hausärztliche Internisten beziehungsweise Kinder- und Jugendmediziner zu Engpässen beim Zugang zum Gesundheitssystem führen kann“, betonten die Delegierten.

Kritik an Universitätskliniken

Johna kritisierte, dass heute viele ärztliche Überstunden nicht bezahlt würden. So etwas sei im Öffentlichen Dienst oder in anderen Bereichen, in denen Angestellte arbeiten, unvorstellbar. „Aber genau diese Realität gibt es an den meisten Universitätskliniken“, kritisierte die MB-Vorsitzende.

„Die Arbeitszeit von vielen Ärztinnen und Ärzte wird nicht so erfasst, dokumentiert und am Ende auch bezahlt, wie sie erbracht worden ist. Stattdessen wird herummanipuliert, pauschal gekappt und willkürlich gestrichen. Und das, obwohl wir eine klare, rechtsverbindliche Regelung im Tarifvertrag haben“, so Johna.

Seit dem 1. Januar 2025 gelte, die gesamte Anwesenheitszeit – abzüglich tatsächlich genommener Pausen – müsse elektronisch genau erfasst werden. „Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist nicht verhandelbar, das steht im Vertrag und muss endlich umgesetzt werden.“

Johna zufolge geht es dabei um mehr als nur um Minutenzählerei. „Es geht um Arbeitszeit, die unsichtbar gemacht wird. Um Überstunden, die nicht bezahlt werden. Um Arbeitsschutz, der auf dem Papier steht, aber in der Realität unbeachtet bleibt“, kritisierte sie.

„Und es geht um Kolleginnen und Kollegen, die mangels ordentlicher Zeiterfassung Höchstarbeitszeitgrenzen überschreiten, weil sie sich ihren Patientinnen und Patienten und ihrer Arbeit verpflichtet fühlen: Dieser Idealismus wird einfach ausgenutzt.“

Der MB habe sich daher entschieden, die Arbeitgeberseite, die Unikliniken im Geltungsbereich des TV-Ärzte und die Länder als ihre Träger auch öffentlich für diesen Vertrags- und Wortbruch anzuprangern. „Wir bereiten gerade eine Kampagne vor, die deutlich macht, was hier schiefläuft und die hoffentlich dadurch auch Druck erzeugt“, berichtete Johna.

„Denn Tarifverträge sind kein Wunschkonzert. Sie sind gegenseitige Verpflichtung. Und wer sie bricht, sollte nicht glauben, dass der Marburger Bund und seine Mitglieder das einfach so geschehen lassen. Wir werden bei diesem Thema nicht eher ruhen, bis das umgesetzt ist, was wir vereinbart haben: eine manipulationsfreie elektronische Erfassung der gesamten geleisteten Arbeitszeit.“

Johna sprach in ihrer Rede auch über die Amtliche Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), deren Neufassung auf dem Deutschen Ärztetag thematisiert werden wird, der am Dienstag in Leipzig beginnt. „Die derzeitige, 40 Jahre alte Gebührenordnung mit ihrem völlig überholten Leistungsverzeichnis ist so nicht mehr realitätstauglich – fachlich wie strukturell“, sagte sie.

„Ich will damit nicht in Abrede stellen, dass der vorliegende Entwurf einer GOÄneu aus der Perspektive einzelner Fachgruppen Enttäuschung hervorrufen kann. Ich persönlich glaube aber, dass wir bei dem anstehenden Deutschen Ärztetag im Blick behalten müssen, was realistischerweise möglich und politisch vermittelbar ist.“

Für viele Mitglieder des MB habe die GOÄ möglicherweise nicht dieselbe Relevanz wie andere Themen im beruflichen Alltag. „Trotzdem kann es uns nicht gleichgültig sein, wie das über Jahre innerärztlich abgestimmte und mit der privaten Krankenversicherung verhandelte Projekt weitergeht“, so Johna.

„Eine GOÄ mit medizinisch aktuellem Leistungsverzeichnis schafft klare und transparente Preisstrukturen und kann zudem das Arzt-Patient-Verhältnis stärken, weil die abgerechneten Leistungen besser nachvollziehbar sind und Missverständnisse vermieden werden.“

Am Ende aber müsse jeder und jede Abgeordnete selbst entscheiden, wie er oder sie zum Entwurf der GOÄneu stehe. „Wir brauchen eine ehrliche und kollegiale Diskussion“, sagte Johna. „Dieser Debatte will ich, wollen wir im Vorstand des Marburger Bundes nicht vorgreifen.“

fos

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