Kassenärztliche Vereinigungen müssen Auffälligkeiten bei Bürgertests nicht mehr prüfen

Berlin – Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat sich mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) auf ein Abrechnungsverfahren für die Coronabürgertests verständigt. Die KBV und die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) hatten sich nach Änderungen an der Corona-Testverordnung zuvor geweigert, die Abrechnungen weiterhin vorzunehmen.
Nun ist klar: Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) werden nach Angaben von BMG und KBV weiterhin die Abrechnungen der Teststellen entgegennehmen und Auszahlungen vornehmen. Allerdings sind die KVen künftig von der Prüfung von Auffälligkeiten befreit.
Im Vorfeld hatten sowohl die KBV als auch die Bundesärztekammer (BÄK) die in der vergangenen Woche in Kraft getretene neue Fassung der Coronavirus-Testverordnung kritisiert. Die KBV beklagte vor allem eine mangelnde Einbeziehung bei der Erarbeitung der neuen Verordnung.
Zudem könnten die KVen die Kontrollen über die korrekte Abrechnung der Teststellen nicht erfüllen, so die KBV. In einem gemeinsamen Schreiben der Vorstände der KVen und der KBV an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wiesen sie Ende vergangener Woche daraufhin, dass sie sich außer Stande sehen, die Bürgertests abzurechnen und die Vergütung entsprechend auszuzahlen.
In einem anschließenden Gespräch zwischen Lauterbach und den Ärztevertretern konnten die Wogen offenbar geglättet werden. Lauterbach betonte in dem Gespräch, die Bedenken der KVen im Hinblick auf die Prüfungen ernst zu nehmen.
Die künftige Aufgabe der KVen wird nun sein, das Vorliegen der Akkreditierung der Testzentren und die rechnerische Richtigkeit der Abrechnung der Zentren zu überprüfen. Die inhaltliche Überprüfung sollen sie nun aber nicht mehr vornehmen.
Das Prozedere ist folgendermaßen vorgesehen: Nach der Auszahlung der Beträge geben die KVen die Daten der Testzentren an den Bund weiter. „Danach wird die Plausibilität der durchgeführten Tests und Ergebnisse überprüft und Auffälligkeiten an die verantwortlichen Ordnungsbehörden der Kommunen weitergegeben", heißt es in der gemeinsamen Erklärung. Die Ordnungsbehörden wiederum teilen gegebenenfalls den KVen mit, in welcher Höhe Rückforderungen zu erfolgen haben.
„Neu ist, dass nachgelagert die Plausibilität der Daten geprüft werden soll. Also etwa, ob ein Testzentrum überdurchschnittlich viele positive Testergebnisse registriert oder ob ein Testzentrum auffällig viele kostenlose Bürgertests für eine Gruppe von Anspruchsberechtigten meldet“, erläuterte ein BMG-Sprecher auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes.
Dabei gehe es aber nicht um Einzelprüfungen, die übermittelten Daten sollten vielmehr mit Zahlen etwa zur Coronainzidenz oder Prävalenz verglichen werden. „Bestehen dabei Auffälligkeiten, gibt der Bund diese Information an die zuständige Behörde auf Landesebene weiter.“ Diese sei dafür verantwortlich, die Plausibilität der Dokumentation zu überprüfen und eventuell Ermittlungsbehörden einzuschalten. „Die konkreteren Umsetzungen werden derzeit geklärt“, so der Sprecher.
An den neuen Regeln zu den Bürgertests ändert sich laut Mitteilung aber nichts. „Wir kombinieren unbürokratische Verwaltung mit effektiver Kontrolle. Die KVen überprüfen weiterhin die Abrechnung. Auffälligkeiten der Testergebnisse werden aber nachgelagert bewertet. Betrug mit Bürgertests darf sich nicht mehr lohnen“, erklärte Lauterbach.
Der KBV-Vorstand – Andreas Gassen, Stephan Hofmeister und Thomas Kriedel – betonte: „Jetzt ist geklärt, dass die KVen die neuen Anspruchsvoraussetzungen für Bürgertests nicht prüfen müssen.“ Entscheidend sei, dass die KVen – solange an den Bürgertestungen festgehalten werde – für Betrugsfälle, denen falsche oder gefälschte Angaben von Getesteten oder Teststellen zugrundeliegen, weder verantwortlich seien noch dafür im Nachhinein verantwortlich gemacht würden.
Kritik an der Einigung kam heute vom Deutschen Hausärzteverband (DHÄV). „Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind aus dem Schneider, die Ärztinnen und Ärzte vor Ort sind die Gelackmeierten. Das ist das Ergebnis der Einigung zwischen BMG und KBV“, sagte der DHÄV-Bundesvorsitzende Ulrich Weigeldt. Das „Bürokratiemonster Testverordnung“ bleibe unverändert bestehen.
Weigeldt betonte, für die Ärzte bedeute das, sie müssten in Zukunft eine Barkasse führen und von einigen Patienten drei Euro eintreiben. Darüber hinaus müssten sie überprüfen, ob jemand anspruchsberechtigt sei oder nicht. „Diese Regelungen sind absurd, in der Praxis nicht durchführbar und belasten die sowieso schon sehr stark geforderten Hausarztpraxen noch weiter.“
Aus dem Hartmannbund kommen zum ebenfalls kritische Stimmen. „Es mag den Kassenärztlichen Vereinigungen helfen, dass ihnen nun doch nicht die Prüfung der neuen Anspruchsvoraussetzungen für Bürgertests aufgebürdet wird“, sagte der Vorsitzende des Arbeitskreises „Ambulante Versorgung“ des Hartmannbundes, Marco Hensel.
Damit seien sie wohl weitgehend vom Druck befreit, für mögliche Betrugsfälle verantwortlich gemacht zu werden. „Für die Kolleginnen und Kollegen an der Basis ist damit allerdings überhaupt nichts gewonnen“. Diese hätten sich im Zusammenhang mit der Testung von asymptomatischen Patienten weiterhin mit dem Thema Selbstauskunft herumzuschlagen und anschließend den Kassierer für die Selbstbeteiligung zu spielen.
Die KV Nordrhein erklärte heute, die klare und geschlossene Haltung der Länder-KVen und der KBV hätten Wirkung gezeigt. Man werte es als „äußerst positiv, dass nun der Bund die Plausibilität der in der Testverordnung enthaltenen Voraussetzungen für einen Bürgertest prüfen“ werde. Rechtlich gesehen hätten sich die Praxen ständig in einer Grauzone bewegt, wer sich unter welchen nachvollziehbaren Vorgaben testen lassen dürfe. „Nicht zuletzt deswegen ist diese Einigung bitter nötig gewesen.“
Die KV betonte, es sei nun BMG, den Auftrag der KVen in einer korrigierten Version der Testverordnung zu konkretisieren. „Wir gehen davon aus, dass dies sehr zeitnah erfolgen wird, damit wir unsere Mitglieder darüber informieren können“, hieß es.
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