KBV-Vertreterversammlung drängt auf juristische Prüfung der Orientierungswertanpassung

Berlin – Der aktuelle Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses zur Anpassung des Orientierungswertes soll juristisch geprüft werden. Gegebenenfalls soll eine Klage eingereicht werden. Diesen Beschluss fassten heute die Delegierten der Vertreterversammlung (VV) der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).
Insbesondere forderten die VV-Delegierten den KBV-Vorstand auf, die Rechtmäßigkeit der Kalkulationsgrundlage – und in diesem Rahmen die „offensichtliche Nichtberücksichtigung der explodierenden Inflation“ im Beschluss – zu prüfen. Grundsätzlich stelle die nachjährige Kostenanpassung einen „Nachteil für die ambulante Versorgung und Wettbewerbsnachteil“ dar.
Jörg Berling, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KV Niedersachsen, betonte, das Verfahren der Orientierungswertanpassung sei „antiquiert“. Dem stimmte unter anderem Annette Rommel, Vorstandsvorsitzende der KV Thüringen, zu. Man brauche dringend „flexiblere Möglichkeiten“.
Der Erweiterte Bewertungsausschusses hatte am 14. September entschieden, dass der Orientierungswert – und damit die Preise ärztlicher und psychotherapeutischer Leistungen für 2023 – um zwei Prozent steigt. Der Schiedsspruch fiel in der dritten Runde der Honorargespräche zwischen KBV und GKV-Spitzenverband mit fünf zu vier Stimmen gegen das Votum der Ärzteschaft.
Dem Vernehmen nach hatte der Vorsitzende des EBA, Jürgen Wasem, kurz zuvor einen Diskussionsvorschlag von 2,5 Prozent Honorarsteigerung vorgelegt. Das hatten die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) in einer internen Sitzung mit 16 : 1-Stimmen abgelehnt.
Die KVen hätten dem Vorschlag des Unparteiischen nur zugestimmt, wenn es einen Energiekostenausgleich insbesondere für energieintensive Praxen für dieses und einen Inflationsausgleich für das nächste Jahr gegeben hätte.
Damit konnten sich die Ärzte in den Verhandlungen nicht durchsetzen. Die Kassenseite hatte an der Systematik für die Steigerung des Orientierungswertes festgehalten, die immer die beiden Vorjahre in den Blick nehmen. Ein Jahr wie 2022 mit einer Inflation, die sich in zweistelligen Dimensionen hält, werde dem System aber „nicht mehr gerecht“, sagte Gassen nach den Verhandlungen.
KBV und GKV-Spitzenverband haben den gesetzlichen Auftrag, jährlich über die Morbiditätsentwicklung und die Anpassung des Orientierungswertes zu verhandeln. Eine Vorgabe des Gesetzgebers ist, dass die Kassen das Morbiditätsrisiko ihrer Versicherten tragen müssen.
Außerdem sieht das Gesetz vor, dass die steigenden Praxiskosten bei der Berechnung der Preise für ärztliche Leistungen zu berücksichtigen sind. Dazu wird der Orientierungswert jährlich angepasst. Er orientiert sich dabei nach interner Systematik an den Kostensteigerungen der beiden Vorjahre. Aktuelle Steigerungen werden bisher nicht berücksichtigt.
Klausurtagung zum Sicherstellungsauftrag
In einem weiteren Beschluss forderten die Delegierten den KBV-Vorstand auf, eine Klausurtagung zu organisieren, in deren Rahmen „über die Zukunft der Selbstverwaltung und der gemeinsamen Selbstverwaltung, die Fortführung des Sicherstellungauftrages und eine Wiedereinführung des Streikrechts“ diskutiert werden soll.
Die derzeitigen gesetzlichen Vorgaben des Sozialgesetzbuches (SGB) V und die daraus resultierenden „nicht mehr akzeptablen Beschlüsse“ der Gemeinsamen Selbstverwaltung gefährdeten akut die Finanzierung und damit die Sicherstellung der ambulanten haus- und fachärztlichen sowie psychotherapeutischen Versorgung, heißt es im Beschluss.
Andreas Bartels, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KV Rheinland-Pfalz, betonte, schon jetzt seien „tausende Praxen“ nicht mehr nachzubesetzen. Sei die Verfügbarkeit von ausreichenden Mitteln für das ambulante Versorgungssystem dauerhaft nicht gewährleistet, stelle dies die Sicherstellung grundsätzlich infrage.
In diesem Zusammenhang sprachen sich die VV-Delegierten auch dafür aus, die gesetzlichen und untergesetzlichen Vorgaben zum Ausgleich der Kosten in den verschiedenen Leistungsbereichen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und deren Auswirkungen hinsichtlich bestehender Unterschiede und Wettbewerbsverzerrungen zu überprüfen.
Auf dieser Basis solle dann der KBV-Vorstand eine „Strategie für die Benennung und Beseitigung der zulasten der vertragsärztlichen und -psychotherapeutischen Versorgung bestehender Benachteiligungen“ auf politischer, gesetzlicher, rechtlicher und medialer Ebene entwickeln.
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