Kinder suchtkranker Eltern brauchen eine Stimme und Unterstützung

Berlin – Schätzungen zufolge lebt in Deutschland fast jedes sechste Kind mit suchtkranken Eltern zusammen. Darauf wies der Verein NACOA Deutschland zum Auftakt der heute startenden Aktionswoche und Wanderausstellung mit Veranstaltungen und einer Social-Media-Kampagne bei einer Pressekonferenz im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hin. NACOA setzt sich für die Belange der rund drei Millionen betroffenen Kinder und Jugendlichen ein.
„Das schlimmste war die Unberechenbarkeit beim Nachhausekommen. Ist der alkoholkranke Vater da, wütet er gerade und wird gewalttätig oder schläft er seinen Rausch aus“, berichtete NACOA-Vorständin Christina Reich, die selbst betroffen ist. Die Sucht stehe immer zwischen dem Kind und der elterlichen Liebe.
„Wir wollen Kindern und Jugendlichen, die mit alkohol- und drogenabhängigen Eltern zusammenleben müssen, nicht nur mit der Aktionswoche eine Stimme geben“, sagte sie. „Diese Kinder sind abhängig von Abhängigen und in der Situation gefangen. Sie brauchen unsere Unterstützung“, erklärte Reich.
Kinder suchtkranker Eltern sind nach Angaben von NACOA die größte bekannte Suchtrisikogruppe. Etwa ein Drittel werde im Erwachsenenalter selbst alkohol-, drogen- oder medikamentenabhängig. Ein weiteres Drittel entwickelt demnach teils überlappend weitere psychische und psychosomatische Störungen. Viele Betroffene suchten sich zudem wieder einen suchtkranken Lebenspartner.
„Es ist wichtig, dass diese Kinder gesehen und gehört werden, dass sie besser geschützt werden und dass sie Hilfe bekommen. Jeder in der Gesellschaft kann hier fürsorglich und aufmerksam sein: Freunde, Nachbarn, Lehrer und Ärzte“, sagte Burkhard Blienert, Beauftragter der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen und Schirmherr der Aktionswoche bei der Pressekonferenz.
Ein großer Fortschritt sei die bundesweite und niedrigschwellig Erstberatungsplattform „Hilfen im Netz“ von NACOA und KidKit, die es seit Oktober 2023 gibt. Blienert lobte die „große Gemeinschaftsleistung“ vom BMG und dem Bundesfamilienministerium.
Darüber hinaus will sich der Drogenbeauftragte weiterhin dafür einsetzten, dass Alkohol und Drogen erst ab 18 Jahren legal zugänglich sind. Das sogenannte begleitete Trinken ab 14 wolle er vollständig abschaffen. Die gesamtgesellschaftliche Akzeptanz von Alkohol in der Gesellschaft sei zu hoch und auf die Risiken von Alkoholkonsum müsste noch eindringlicher aufmerksam gemacht werden.
Die COA-Aktionswoche unter dem Motto „Wir sind Millionen“ findet bis zum 24. Februar statt. Geplant sind rund 150 Aktionen bundesweit. Daneben erzählt die Wanderausstellung „Gesicht zeigen! Was erwachsene Kinder suchtkranker Eltern stark gemacht hat“ im Foyer des BMG die Geschichten zehn mittlerweile erwachsener Kinder aus suchtbelasteten Familien. Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit dem Fotografen Hauke Dressler.
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