Klimaschutz spielt im Gesundheitswesen geringe Rolle

Wuppertal – Das Thema Klimaschutz spielt im Gesundheitswesen und insbesondere bei den Arztpraxen eine untergeordnete Rolle. Zu diesem Ergebnis kommt die Untersuchung „Klimaneutraler Gesundheitssektor“ von der Barmer und dem F.A.Z.-Institut.
Knapp die Hälfte der Befragten (46 Prozent), die alle im Gesundheitswesen tätig sind, haben sich der Umfrage zufolge mit dem Thema Klimaschutz und Klimaneutralität bereits beschäftigt. Bei den Beschäftigten in Arztpraxen sind es 38 Prozent.
Lediglich elf Prozent der Befragten rechnen weiter damit, dass das Gesundheitswesen bis zum Jahr 2030 klimaneutral wird. Der Deutsche Ärztetag hatte im November 2021 einen Beschluss verabschiedet, die Emissionen bis 2030 auf null zu senken. Auch 2022 beschäftigte sich der Ärztetag mit einigen Beschlüssen, um klimabewusstes Handeln in der Ärzteschaft stärker zu verankern.
Für die Barmer-Analyse wurden 551 Beschäftigte und Entscheider im deutschen Gesundheitswesen im August und September 2022 telefonisch und online befragt. Von den 551 Personen sind 46 Prozent der Befragten Ärzte, medizinisches und nicht medizinisches Personal in den Krankenhäusern.
35 Prozent der Befragten sind Inhaber, Leiter oder Angestellte einer Arztpraxis. Acht Prozent arbeiten in einer Apotheke oder im Sanitätshaus, sieben Prozent sind Fachkräfte und Entscheider aus der Medizintechnik- und Pharmaindustrie und vier Prozent der Befragten sind Entscheider in gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen.
Neben den 38 Prozent der befragten Beschäftigten in Arztpraxen, die sich bereits mit Klimaneutralität beschäftigt haben, wollen das künftig noch weitere 29 Prozent tun. Damit bilden sie allerdings das Schlusslicht im Vergleich zu den Krankenhäusern, Apotheken, Krankenversicherungen und der Industrie.
Bei den Krankenhäusern waren es 47 Prozent, die sich damit bereits auseinandergesetzt haben und weitere 20 Prozent, die das Thema auf ihrer Agenda stehen haben. An der Spitze steht dabei die Industrie, dort gaben 73 Prozent der Befragten an, sich bereits mit dem Thema auseinandergesetzt zu haben.
Sensibilisierung der Beschäftigten und Nachhaltigkeitsstrategie wichtig
Über alle Bereiche im Gesundheitswesen hinweg, gaben die Befragten am häufigsten an, dass sie sich insbesondere mit Klimaneutralität durch entsprechende Sensibilisierung und Weiterbildung der Mitarbeitenden beschäftigen (59 Prozent).
Danach folgen die Angaben, eine Nachhaltigkeitsstrategie zu definieren (51 Prozent), einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen (24 Prozent), den CO2-Fußabdruck zu berechnen oder Klimaschutzkampagnen zu initiieren (jeweils 21 Prozent).
Die Umfrage hakte auch nach, welche konkreten Maßnahmen auf dem Weg zur Klimaneutralität bereits unternommen werden. Am meisten setzen die Befragten dabei auf Recycling (49 Prozent) und der Förderung nachhaltiger Mobilität (47 Prozent). 39 Prozent aller Befragten haben zudem in energetische Sanierungen und Modernisierungen investiert.
Arztpraxen bilden Schlusslicht bei klimaneutralen Sanierungen
Schaut man sich letztere Frage genauer an, wird klar, dass etwas mehr als die Hälfte der Befragten in der Industrie (53 Prozent) und Krankenversicherungen (52 Prozent) auf Sanierungen setzt. Bei den Krankenhäusern sind es 44 Prozent, bei den Apotheken 40 Prozent und das Schlusslicht bilden die Arztpraxen mit knapp einem Drittel, die in klimaneutrale Sanierungen investieren (29 Prozent).
Zwar stufen die Befragten im gesamten Gesundheitswesen insbesondere die Nutzung von erneuerbaren Energiequellen als wichtigste Maßnahme zur Klimaneutralität ein (40 Prozent), nur 34 Prozent nutzen allerdings bisher entsprechende Energiequellen.
Neben Einsparungen oder der Umstellung auf erneuerbare Energien, schätzen etwa zwei Drittel der Befragten digitale Technologien als wichtig oder eher wichtig ein (67 Prozent), um ihre Organisationen klimaneutraler zu gestalten. Insbesondere die Apotheken und Sanitätshäuser (77 Prozent) finden Digitalisierung deshalb wichtig. Bei den Arztpraxen sind es 58 Prozent, die glauben, dass digitale Lösungen zur Klimaneutralität beitragen können.
Zudem sagten mehr als ein Drittel (37 Prozent) der Befragten im Gesundheitswesen, dass die Klimaneutralität aufgrund des Kriegs gegen die Ukraine relevanter geworden sei. 43 Prozent gaben allerdings an, dass die Bedeutung der Klimaneutralität unverändert geblieben sei.
„Politik und alle Akteure im Gesundheitssektor müssen Nachhaltigkeit und Klimaschutz deutlich höher priorisieren, Hürden in der Gesetzgebung beseitigen und gezielt Anreize schaffen“, schlussfolgerte Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer. Nachhaltigkeit sollte Grundbedingung des Verwaltungshandelns sein und im Sozialgesetzbuch verankert werden, forderte er.
Die Barmer kündigte an, dass die Nachhaltigkeitsuntersuchung künftig jährlich durchgeführt werden soll. Es sei wichtig zu wissen, welche entsprechenden Fortschritte das Gesundheitswesen mache, betonte Straub.
Der deutsche Gesundheitssektor ist für etwas mehr als fünf Prozent der nationalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Die rund 1.800 Krankenhäuser in Deutschland verursachen der Analyse zufolge zudem ein Prozent des deutschen Abfallaufkommens.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: