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Klimawandel: Gesundheitsrisiken werden unterschätzt

  • Mittwoch, 29. November 2023
/jozsitoeroe, stock.adobe.com
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Berlin – Einige Gesundheitsrisiken durch die Klimakrise nimmt die Bevölkerung als verhältnismäßig gering wahr. Das geht aus einem Artikel des dritten Sachstandsberichts des Robert-Koch-Instituts (RKI) zu Klimawandel und Gesundheit hervor (DOI: 10.25646/11770).

Insbesondere das Risiko durch zunehmende psychische Erkrankungen, verschlechterte Lebensmittelqualität und die steigende Allergenbelastung wird demnach als gering eingeschätzt.

Auf Basis von vier Erhebungswellen der PACE-Studie (Planetary Health Action Survey) haben Forschende die Risikowahrnehmung sowie die Handlungsbereitschaft in der Bevölkerung ermittelt. Bei der PACE-Studie handelt es sich um eine mehrmals jährlich stattfindende Onlinebefragung, mit jeweils etwa 1.000 Personen zwischen 18 und 74 Jahren.

Zwei Drittel der 3.845 Befragten sah das Risiko von psychischen Problemen durch die Klimakrise als gering an, obwohl Fachleute und Studien von einer steigenden Zahl psychischer Erkrankung und sogar von zunehmender Häufigkeit von Suiziden bei Hitzeperioden sprechen (Deutsches Aerzteblatt 2023; DOI: 10.3238/arztebl.m2022.0403). Ähnlich sieht es bei der Lebensmittelqualität oder bei der zunehmenden Belastung durch Allergene aus: Nur etwas mehr als die Hälfte der Befragten nimmt darin ein Risiko wahr.

Laut dem Autorenteam haben Personen mit einer geringen Risikowahrnehmung auch eine geringe Handlungsbereitschaft. Etwas häufiger als andere Gruppen sind das Jüngere, Männer, Personen mit niedriger Bildung und Menschen in kleineren Gemeinden.

In der Kommunikation der Gesundheitsrisiken könnten Ärztinnen und Ärzte daher eine wichtige Rolle einnehmen. Beispielsweise im Rahmen von sogenannten Klimasprechstunden könnten sie über Co-Benefits von Klimaschutz informieren, sagt eine der Autorinnen und wissenschaftliche Geschäftsführerin des Institute for Planetary Health Behaviour der Universität Erfurt Mirjam Jenny dem Deutschen Ärzteblatt. „Wer sich beispielsweise fleischarm ernährt und mit dem Fahrrad statt dem Auto zur Arbeit fährt, schützt seine eigene Gesundheit und die des Planeten.“

Klimagerechtigkeit fördern

Ein weiteren Co-Benefit, allerdings auf struktureller Ebene, bringt eine vermehrte Stadtbegrünung mit sich. „Stadtgrün verbessert nicht nur stadtklimatische Parameter, sondern auch die Belastungssituation in Bezug auf Luftschadstoffe und Lärm“, schreiben die Autorinnen und Autoren in einem weiteren Artikel des dritten Sachstandsberichts (DOI: 10.25646/11769). Grünflächen sind allerdings sozial ungleich verteilt - nicht in jedem Stadtteil gibt es Parks oder Wiesen und auch der Zugang zu Gärten ist ungleich verteilt.

Daher beschäftigt sich der Teil des Sachstandsberichts mit dem Thema der Klimagerechtigkeit. Die Autorinnen und Autoren fordern, dass Gerechtigkeitsfragen direkt in die Klimapolitik integriert werden sollte. Dafür sollte es etwa ein Monitoring von Belastungssituationen geben und die Teilhabechancen sozialbenachteiligter Gruppen erhöht werden.

Das Land Berlin hat bereits 2008 ein Modellvorhaben „Umweltgerechtigkeit im Land Berlin“ gestartet. Ein „Berliner Umweltgerechtigkeitsatlas“ soll besonders belastete Stadträume sichtbar machen. Der Atlas zeigt die Lärmbelastung, Luftschadstoffbelastung und die thermische Belastung sowie die Grünflächenversorgung an und ermittelt mit einem sozialen Index-Indikator die soziale Benachteiligung im jeweiligen Stadtgebiet. Auf Grundlage dessen sollen stadtplanerische Maßnahmen erfolgen.

Der Sachstandsbericht ist der dritte von drei Teilen, die insgesamt aus 14 Einzelbeiträgen von mehr 90 Autoren aus über 30 Forschungseinrichtungen und Behörden bestehen. Die Koordination der Publikation erfolgt im Rahmen des Projekts „KlimGesundAkt“, das durch das Bundesministerium für Gesundheit gefördert wird. Der erste Teil beschäftigte sich mit dem Einfluss des Klimawandels auf Infektionskrankheiten und der zweite Teil fokussierte sich auf nicht-übertragbare Krankheiten.

In einem abschließenden Beitrag des aktuell veröffentlichten Berichts, fassen die Autoren Handlungsoptionen aus allen Einzelbeiträgen zusammen und verfassen Ziele (DOI: 10.25646/11771). Zu den großen Themenfeldern gehören die Verhältnis- und Verhaltensprävention, das Monitoring, die Surveillance und die Digitalisierung, ein ökologisch nachhaltiges und resilientes Public-Health-System sowie Information, Kommunikation und Partizipation.

mim

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