Klinikfusionen immer häufiger ein Fall für das Kartellamt

Münster – „Bei einer Krankenhausfusion wird immer zuletzt an uns gedacht“, sagte Eberhard Temme beim diesjährigen Kongress „Gesundheitswirtschaft managen“. „Aber meistens konnten die Probleme, die dann entstanden waren, gelöst werden“, beruhigte der Vorsitzender der 3. Beschlussabteilung des Bundeskartellamts in Bonn, die für den Bereich „Gesundheitswesen und Chemie“ zuständig ist.
Die Abteilung prüft Krankenhäusern seit den 1990er Jahren. Auslöser waren die Privatisierung von Kliniken. Seitdem gibt es laut Temme immer mehr Arbeit. Derzeit entscheiden er und seine Mitarbeiter über 20 Fusionen pro Jahr. „Etwa jede zweite Woche trudelt eine Anmeldung auf meinen Schreibtisch.“ Seit 2003 hätten von 261 Verfahren 219 mit einer Freigabe geendet. Und die müsse innerhalb einer Frist von vier Wochen erteilt werden. Nur in komplizierten Fällen dürfe das Kartellamt länger prüfen.
Der gesetzlich festgelegte Schwellenwert für eine Fusionskontrolle der Beteiligten liegt bei einem Jahresumsatz von 500 Millionen Euro weltweit. „Das kann bei kommunalen Kliniken schnell relevant werden. Denn Kommunen werden wie ein Konzern behandelt“, erläuterte Temme. Daher werde beispielsweise auch der Jahresumsatz von Energieversorgern mitgerechnet, wenn die betroffenen Kommunen daran beteiligt sind. Krankenhäuser, deren Jahresumsätze die 500-Millionen-Euro-Marke unterschreiten, können sich hingegen durch Fusionen ein Monopol aufbauen, ohne dass das Bundeskartellamt einschreiten kann.
Die Struktur des stationären Sektors hat sich Temmes Angaben zufolge seit den 1990er Jahren erheblich verändert. Der Anteil der öffentlichen Krankenhäuser sei deutlich zurückgegangen, während die kommunalen Kliniken beim Bettenanteil nach wie vor fast die 50-Prozent-Marke hielten. Der Anteil der privaten Krankenhäuser hat sich nahezu verdoppelt, sie halten jedoch nur einen Anteil von rund 18 Prozent aller Betten. Der Bettenanteil der freigemeinnützigen Träger sei mit rund einem Drittel stabil geblieben. Außerdem gebe es bei Krankenhäusern im Vergleich zu anderen Bereichen keinen Preis-, sondern nur einen Qualitätswettbewerb.
„Wir müssen darauf achten, dass dieser Qualitätswettbewerb erhalten bleibt“, betonte Temme, zumal die Bundesregierung mit dem Krankenhausstrukturgesetz von 2015 mehr Qualität wolle. Der Krankenhausmarkt richte sich nach dem Bedarfsmarktkonzept, also nach dem Bedarf des Patienten. Demnach gehe es in der Regel um akutstationäre Dienstleistungen durch Krankenhäuser mit breitem Versorgungsangebot. Diese nehme das Bundeskartellamt in den Blick. Auf Fachkliniken schaue das Amt momentan nicht, obwohl Temme zufolge auch dort Märkte denkbar seien. Keine Märkte und daher keinen Anlass zur Kontrolle sieht er bei psychiatrischen Krankenhäusern, Reha- und Pflegeeinrichtungen.
Wird eine Klinikfusion angemeldet, prüft das Bundeskartellamt anhand von Postleitzahlen zunächst, woher die Patienten der einzelnen Krankenhäuser kommen. „Im zweiten Schritt sehen wir uns an, in welchen Krankenhäusern sich die Patienten eines Marktgebietes behandeln lassen“, schilderte Temme. Im dritten Schritt beurteilen er und seine Mitarbeiter auf der Datenbasis des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) den Versorgungsmarkt anhand von wesentlichen diagnosebezogenen Fallpauschalen.
Dadurch lasse sich das Leistungsgeschehen der beteiligten Kliniken nachvollziehen. Mit einem zusätzlichen Test wird die Marktsituation vor und nach der Fusion untersucht. „Kommt es nach der Fusion zu einem Marktanteil von über 40 Prozent, liegt eine Marktbeherrschung vor“, erläuterte Temme. „Wir haben Fusionen allerdings nicht bei über 40 Prozent, sondern nur bei über 50 Prozent Marktanteil untersagt“, berichtete er.
Kooperationen zwischen einzelnen Kliniken oder mit niedergelassenen Ärzten greift das Bundeskartellamt nach Angaben von Temme nicht systematisch auf. Bei Fusionskontrollen werde allerdings auch danach gefragt. Grenzen gebe es für das Kartellamt dann, wenn Kooperationen so eng sind, dass Unternehmensentscheidungen zusammen durchgeführt werden, etwa bei der Auswahl eines neuen Chefarztes.
Keine Probleme habe es bislang mit dem ambulanten Sektor gegeben. Die Jahresumsätze lägen dort in der Regel unter 500 Euro und damit unterhalb des Schwellenwerts. Anders sei das hingegen im Bereich der Labormedizin. Ihn habe das Kartellamt bereits im Blick, da es dort regionale Märkte und einen Wettbewerbsdruck von außen gebe. „Wir mussten bislang allerdings noch nicht entscheiden“, berichtete Temme. In Deutschland gebe es fünf große Anbieter, die bislang nur kleine Anbieter aufgekauft hätten. Das sei unproblematisch gewesen.
Unproblematisch sei auch der Markt der Dialyseeinrichtungen, der bislang noch nicht konzentriert sei. Der größte Anbieter habe etwa 18.500 Patienten. Anders sei das allerdings beim Markt für Dialyseprodukte. Er sei mit zwei Anbietern und drei weiteren Unternehmen mit einem Marktanteil von 90 Prozent „deutlich konzentriert“.
Zurzeit führt das Bundeskartellamt eine Sektoruntersuchung in rund 400 Kliniken in einem geografischen Streifen vom Saarland bis zur Lausitz durch. Ziel ist es, das Wettbewerbsgeschehen der Krankenhausmärkte zu analysieren und die etablierte Bewertungsmethodik weiterzuentwickeln. Im zweiten Schritt dieser Untersuchung will das Kartellamt auch niedergelassene Ärzte befragen.
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